Eine hohe Lichtstärke der Objektive kann eine entscheidende Voraussetzung für gelungene Fotos sein. Dadurch fällt mehr Licht auf den Sensor und die Elektronik muss erst später die Belichtungszeit und/oder ISO-Zahl hochdrehen. Eine kurze Belichtungszeit wiederum vermindert die Gefahr von Verwackelungen und Bewegungsunschärfen, eine niedrige ISO-Zahl spricht grundsätzlich für rauscharme Fotos. Auf die Kamera kommen wir aber noch später in diesem Artikel zurück.
Gehäuse und erster Eindruck
Fangen wir einmal mit dem ersten Eindruck des Gerätes selbst an. Unser Testgerät erreichte uns in blauer Farbe, alternativ steht noch Schwarz zur Verfügung. Das Gehäuse ist rundum abgerundet und an allen Seiten auf Hochglanz poliert. Das vordere Glas ist an den Ecken nur wenig gerundet. Auch die Rückseite besteht aus Glas, sie ist stärker gewölbt. Rundum ist ein ebenso glänzender Metallrahmen. Bis auf die Display-Fläche schimmert bei unserem Testgerät alles rundum in Spiegelblau, nur der Streifen um die Kameras herum ist unter der Hochglanzoberfläche irgendwie matt und hebt sich deshalb ein wenig ab. Dieses Finish kann man mögen. Ich mag es nicht. Es hat auch einen ganz krassen Nachteil. Das Gehäuse ist rundherum so unglaublich glatt und rutschig wie Seife, dass eine minimale Neigung von schätzungsweise 2 Grad locker ausreicht, dass das Gerät auf einer jeden Oberfläche einfach herunterrutscht (ich habe ausprobiert: Tischplatte, Papier, Aktenordner, Notebook-Computer). Sinnvollerweise wird man das Mate 10 Pro also immer in irgendeine Hülle (Bumper) stecken.
Praktischerweise liegt dem Gerät gleich eine passende Hülle bei. Diese ist vom Typ "Smartphone-Kondom", also ein klarer, durchsichtiger, weicher Überzug, in Form und Aussparungen natürlich optimal auf das Mate 10 Pro abgestimmt. Innen ist dieser Überzug matt, sodass von der Hochglanz-Rückseite des Gerätes dann nichts mehr zu sehen ist, aber die Gerätefarbe schimmert durch. Das Ganze sieht durchaus wie aus einem Guss aus, aber der Gesamteindruck ist natürlich weit weniger hochwertig als das nackte Gerät. Dafür liegt es nun sicher in der Hand und auf dem Tisch. Dies auch, wenn du es mit der Displayseite nach unten legst, denn die Hülle steht sinnvollerweise ein klein wenig über. Die Bedienelemente sind nicht ausgespart, sondern in dem Kunststoffüberzug nachgebildet, sodass du sie gut fühlen kannst. Sie haben auch mit Hülle einen guten Druckpunkt. Ausgespart ist natürlich auf der Rückseite der Bereich um die beiden Kameras herum sowie der Fingerabdrucksensor, der ebenfalls auf der Rückseite sitzt (und übrigens sehr sensibel und zuverlässig reagiert) und alle Öffnungen für Mikrofone und Lautsprecher.
Eine Aussparung für einen Kopfhöreranschluss brauchte Huawei bei dem Bumper übrigens nicht vorsehen, denn Huawei schließt sich beim Mate 10 Pro dem unsäglichen Trend an überhaupt keine 3,5mm-Klinkenbuchse mehr einzubauen. Der mitgelieferte Ohrhörer hat einen USB-C-Stecker. Aber was mache ich mit all meinen hochwertigen Kopfhörern und Headsets für alle Gelegenheiten? In-Ear, On-Ear, mit und ohne Noise-Cancelling und alles sehr gute und hochwertige Geräte. Die müsste ich mit dem Mate 10 Pro über einen USB-C-auf-3,5mm-Klinke-Adapter betreiben (der gerne verloren oder kaputt geht). Und den ich sogar erst noch kaufen soll. Denn während Apple weiterhin all seinen Geräten ohne 3,5mm-Anschluss wenigstens einen Adapter beilegt, spart sich Huawei einen solchen. Mit einer geschrumpften Gehäusedicke ist der Wegfall des Anschlusses übrigens nicht zu erklären, denn das Mate 10 Pro ist nicht dünner als das Vorgängermodell sondern sogar 0,4 mm dicker.
Sehr gut dagegen: Das Mate 10 Pro gibt es außer in der normalen Version (Typ BLA-L09) auch in einer Version mit zwei SIM-Plätzen (Typ BLA-L29). Du kannst also z. B. eine Firmen-SIM-Karte und eine Private SIM-Karte parallel betreiben und bist direkt unter beiden Nummern erreichbar und kannst beim Rauswählen auch festlegen, über welche Karte der Anruf gehen soll. Oder du ergänzt bei einem längeren Auslands-Aufenthalt deine normale SIM-Karte durch eine Prepaid-SIM-Karte aus dem Reiseland, um günstig Inlandsgespräche führen zu können oder zusätzliches Datenvolumen zu haben. Einen der beiden SIM-Slots alternativ auch mit einer MicroSD-Karte zu belegen, um zusätzlichen Speicherplatz zu haben, geht bei dem Mate 10 Pro allerdings nicht (im Gegensatz zu vielen anderen Dual-SIM-Geräten).
Prozessor und künstliche Intelligenz
Im Innern des Mate 10 Pro werkelt ein Kirin 970 8-Kern-Prozessor. Dieser wird unterstützt von einem Co-Prozessor, einem Grafik-Prozessor und, darauf legt Huawei besonders wert, einer NPU, einer Neural Network Processing Unit. Damit sei erstmals ein Prozessor speziell für künstliche Intelligenz in einem Smartphone verbaut. Was diese allerdings genau macht, bleibt unklar. Huawei nannte als Beispiel eine automatische Motiv- bzw. Szenen-Erkennung bei der Kamera. Das ist allerdings wirklich kalter Kaffee. Eine Motiv-Automatik, d. h. das Erkennen bestimmter Motiv-Situationen wie Porträt, Essen, Landschaft, Sport usw. und das automatische Aktivieren sinnvoller Einstellungen für diese Aufnahmesituationen haben viele Fotokameras seit mehr als zehn Jahren, ohne dass irgendjemand da von künstlicher Intelligenz sprechen würde. Huawei müsste also vielleicht etwas mehr Aufklärungsarbeit leisten, was genau der so intensiv beworbene KI-Chip im Mate 10 Pro eigentlich macht.
Trotz leistungsfähiger Hardware und neuester Technik ist das Huawei Mate 10 Pro bei Google noch nicht als "Daydream-kompatibel" geführt – und das, obwohl das Vorgängermodell Mate 9 Pro und das Porsche Design Mate 9 diese "Zertifizierung" durchaus hatten. Das Huawei P10 hat sie übrigens ebenfalls nicht, es verwendet allerdings auch eine andere Display-Technik die den Daydream-Anforderungen evtl. nicht genügt. Daydream View ist die VR-Brille von Google, in die du ein Smartphone einsetzen und dann VR-Inhalte anschauen kannst. Die Daydream-Kompatiblität haben wir aktuell aber beispielsweise von GoPro als Filter missbraucht, um festzulegen welche Smartphones mit der GoPro Fusion Panoramakamera zusammenarbeiten dürfen und welche nicht. Derzeit sind es ausschließlich die Daydream-kompatiblen Smartphones, weil GoPro bei denen sicher davon ausgehen kann, dass diese mit der großen Datenmenge der GoPro Fusion sicher zurechtkommen. Das Mate 10 Pro gehört nicht dazu – also keine Verbindung zur GoPro Fusion (siehe Screenshot). Wenn du aber weder die Google Daydream View Brille noch die GoPro Fusion Kamera nutzen willst, kann dir das wahrscheinlich relativ egal sein.
Hinsichtlich Display-Auflösung ist das Mate 10 Pro gegenüber dem Vorgängermodell Mate 9 Pro übrigens ein verwunderlicher Rückschritt. Das OLED-Display ist durch die 18:9-Auflösung zwar etwas größer geworden (im Grunde länger bzw. höher, nicht breiter) als das 16:9-Display des Mate 9 Pro, hat aber anstelle der hohen 534ppi-Auflösung mit 2560 x 1440 Pixeln nur noch 402 ppi bei 2160 x 1080 Pixeln. Etwas gestiegen soll der Farbumfang sein. Die Farbdarstellung ist kräftig bis leicht knallig, die Helligkeit nicht überragend hoch, reicht aber in der Praxis aus. Insgesamt gefiel mir das Display im Test sehr gut. Speziell für VR-Brillen wäre aber tatsächlich eine höhere Auflösung wünschenswert. Unter den aktuellen Android-Spitzenmodellen ist das Mate 10 Pro aktuell das Gerät mit der niedrigsten Displayauflösung.