Anmerkung In diesem Test gehen wir ausschließlich auf die Kameras der Smarthones Huawei P30 und P30 Pro ein. Nicht die vordergründige Qualität bei der schnellen Ansicht auf dem Smartphone-Display ist für uns relevant, sondern wir betrachten die Fotos mit demselben Qualitätsanspruch, den wir bei "richtigen" Fotokameras ansetzen.
Die Kombinationen aus verschiedenen Kameras in Smartphones werden immer "verrückter". Ob das gut ist? Entscheidend ist, was am Ende herauskommt. Das ist rein von den Daten her immer schwieriger abzuschätzen, denn die Hersteller werfen mit Zahlen um sich, dass einem schwindelig werden kann. 30-fach-Digitalzoom bietet das Huawei P30, beim Huawei P30 Pro lässt sie sich in der App sogar bis auf 50-fachen Zoom raufschrauben. Und die höchste ISO-Zahl ist mit astronomischen ISO 409.600 angegeben – bei einem so kleinen Sensor! Ein Nachtsichtgerät also quasi.
Die Kamera des Huawei P30 Pro setzt sich aus vier Sensoren zusammen, drei davon liefern die Fotos, ein vierter Sensor die Tiefeninformationen, d. h. wie weit die verschiedenen Motivteile bei der Aufnahme vom Smartphone entfernt sind. Das wird zur Berechnung des Bokeh-Effekts verwendet, mit dem bei Porträt-Aufnahmen der Hintergrund unscharf gezeichnet wird, um einen Effekt nachzuahmen, wie man ihn bei konventionellen Kameras mit großem Sensor in Verbindung mit einem lichtstarken Objektiv erreichen würde. Diesen so genannten TOF-Sensor bietet nur die Version P30 Pro, nicht die Version P30 (ohne "Pro"). Die eigentlichen Fotos kommen in beiden Fällen aber aus den drei eigentlichen Kameramodulen, auf die wir nachfolgend eingehen. Dazu gibt es noch eine Frontkamera mit sehr vielen Megapixeln (dazu weiter unten mehr).
Eine Ultraweitwinkel-Kamera mit 16 mm kleinbildäquivalenter Brennweite mit 20 Megapixeln Auflösung und einer Lichtstärke von F2,2 bieten beide P30-Versionen. Das Objektiv ist nicht ganz so ein brutales Fisheye-Objektiv wie das 13mm-Ultraweitwinkel des OnePlus 7 Pro, das wir kürzlich im Test hatten. Das Bild der Huawei-Ultraweitwinkel-Kamera zeigt ein ganz interessantes Bildverhalten, wie wir es sonst eigentlich nicht kennen. Über weite Bildbereiche ist das Bild nahezu verzeichnungsfrei, knickt in den Bildecken dann aber plötzlich in einen Fisheye-Effekt ab. Normalerweise bemüht sich die Bildverarbeitung, diesen Effekt in den Ecken geradezubiegen. In unseren Testaufnahmen haben wir interessanterweise eine Aufnahme dabei, die das unentzerrte Bild zeigt. Wie es dazu kam, konnten wir nicht mehr reproduzieren, denn einstellen kann man das in der App eigentlich nicht. Auch die Rohdateien sind nie Roh, sondern bezüglich der Entzerrung auch entsprechend vorbearbeitetet.
Leider gelingt die Entzerrung nicht sehr gut. Horizontale Linien am oberen Bildrand werden nicht gerade, sondern (zumindest bei unserem Testgerät) zu einer Wellenlinie. Zudem reduziert die Entzerrung die in den Bildecken ohnehin kaum noch vorhandene Auflösung und Schärfe, sodass der Auflösungsverlust bei der Ultraweitwinkelkamera von der Bildmitte zum Bildrand wirklich brutal hoch ist. In der Mitte ist die Bildqualität wirklich recht gut. Am Bildrand, insbesondere in den Ecken, ist aber nur noch Matsche. Die im Randbereich häufig auftretenden Farbsäume durch chromatische Aberration hat Huawei bestens im Griff (entweder optisch oder herausgerechnet).
Die JPEGs sind sehr stark scharfgezeichnet und haben deutlich sichtbare "Heiligenscheine" um die Kontrastkanten herum. Die als DNG vorliegenden Rohdaten sind da sehr viel ehrlicher. Sie zeigen auch den extremen Helligkeitsabfall der Ultraweitwinkelkamera von der Bildmitte zum Bildrand. In den JPEGs ist diese Vignettierung gut herausgerechnet, aber es ist ganz logisch, dass das dann zum Rand hin extrem viel Auflösung kostet. Dennoch finde ich die Ergebnisse insgesamt für eine Ultraweitwinkel-Smartphone-Kamera brauchbar und sie liefert bei Landschafts- und Innenaufnahmen Fotos mit einem spektakulär weiten Bildwinkel. Apropos Innenaufnahmen: Dabei sollten die Räume schon sehr gut beleuchtet sein, denn die Ultraweitwinkelkamera macht nur bis ISO 400 gute Bilder. Bei höheren Lichtempfindlichkeiten (d. h. bei wenig Licht) sieht man kein Rauschen im JPEG, aber die Bildbearbeitung bügelt alle Details glatt. Die niedrigste ISO-Zahl liegt übrigens bei nur 50, da sind die Bilder am besten.
Die Ultraweitwinkelkamera kann man übrigens nicht nur für sehr weite Landschaftsaufnahmen einsetzen, sondern beim Video auch zwei der drei Kameras kombinieren und gleichzeitig aufnehmen. Im Video erscheint dann links das eine Bild, z. B. das der Hauptkamera, ggf. etwas reingezoomt, und rechts das Bild der Ultraweitwinkelkamera. So nimmt das Smartphone zwei Perspektiven auf einmal im Video auf. "Duale Anzeige" nennt Huwawei das. Das gespeicherte Video hat dann 2.336 x 1.080 Pixel, d. h. FullHD auf das Seitenverhältnis des Displays (2,16:1 bzw. 19,5:9) angepasst. Ohne solche Gimmicks schafft auch die Ultraweitwinkelkamera übrigens 4K mit 30 Bildern/s. Die Datenrate beträgt dabei allerdings nur 31 MBit/s, was für 4K wirklich wenig ist und so ist die Qualität der Ultraweitwinkel-4K-Videos auch nur mittelmäßig.
Das wirkliche Highlight unter den drei Kameras des Huawei P30 Pro genauso wie beim P30 "non Pro" ist natürlich die 27mm-Hauptkamera mit satten 40 Megapixeln. Der Sensor ist laut Huawei eine Eigenentwicklung. Eine Besonderheit der Hauptkamera ist die Wahl der Farbfilter. Statt üblicher RGB-Bayermatrix-Filter, also den Farben Rot, Grün und Blau, kommt in dem Huawei P30 Pro ein RYB-Filter zum Einsatz, der statt Grün die Farbe Gelb besitzt. Die Anordnung ist wiederum wie bei Bayer-Filtern, d. h. pro Viererpixel sind Rot und Blau je einmal enthalten und treffen auf zwei Gelb-Pixel (statt normalerweise zwei Grün-Pixel). Huawei verspricht sich davon eine höhere Lichtdurchlässigkeit und Lichtausbeute, denn der Gelb-Filter schluckt weniger Licht als ein Grün-Filter.
Die Kamera-App stellt die Hauptkamera standardmäßig auf nur 10 Megapixel ein, sodass immer vier Kamera-Pixel zu einem Bildpixel zusammengeführt werden. Das kennt man vom 48-Megapixel-Sony-Sensor, z. B. im OnePlus 7 Pro. Die Fotos haben dann 3.648 x 2.736 Pixel und sind ungewöhnlich wenig bearbeitet. Praktisch das genaue Gegenteil der knackscharf gerechneten Ultraweitwinkelfotos. Technisch sind die 10-Megapixel-Fotos tatsächlich sehr gut für die weitere Bildbearbeitung geeignet. Noch etwas Schärfe reingedreht und die Bilder sehen wirklich großartig aus. Aber natürlich ist es auch sehr spannend zu sehen, wie denn die eigentlichen 40-Megapixel-Aufnahmen aussehen, die ja die Grundlage der 10-Megapixiel-Bilder sind.
Die 40 Megapixel lassen sich bei Huawei auch im ganz normalen Automatik-Modus anwählen, nicht nur im Pro-Modus der Kamera-App. Gespeichert werden dann satte 7.296 x 5.472 Pixel. Als JPEG haben diese pro Foto nur rund 8 MByte, als DNG satte 78 MByte. Auch hier sind die JPEGs sehr weich, könnten eine gehörige Portion Scharfzeichnung gebrauchen. Supergut gefallen uns die DNGs, die standardmäßig in Lightroom schon richtig gut aussehen und für die weitere Bearbeitung natürlich eine tolle Basis sind. Die Auflösung ist erstaunlich hoch, bis an den Bildrand und in die Bildecken. Der Helligkeitsverlust zum Rand hin, in den DNGs wieder gut zu sehen, wird in den JPGs ausgeglichen. Abers als bei der Ultraweitwinkelkamera ist bei der Hauptkamera aber alles im grünen Bereich.
Das gilt natürlich hauptsächlich bei niedrigen ISO-Zahlen. Bei ISO 400 setzt in den DNGs sichtbares, aber noch gut zu ertragendes Bildrauschen ein, bei den JPEGs wird dies wieder (für unseren Geschmack viel zu stark) weggebügelt. ISO 800 gefällt mir in DNG noch ganz gut, die JPEGs sind durch die starke Rauschunterdrückung schon "tot". Bei noch höheren ISO-Zahlen werden dann die Farben ausgewaschen. Ab ISO 1600 gibt sich die Bildbearbeitung quasi geschlagen und produziert äußerst unansehnliche Ergebnisse. Da hilft dann auch eine Reduzierung auf 10 Megapixel nicht mehr viel. Insofern sind die versprochenen astronomischen ISO-Werte in der Praxis nicht zu gebrauchen, außer man will halt mal auf dem Smartphone-Display zeigen: "Schau mal, mein Smartphone kann auch bei Nacht noch was sehen". Oder die Bilder nur auf dem Smartphone-Display anschauen (ohne hineinzuzoomen).