Hinter der Marke Insta360 steckt das 2014 gegründete Unternehmen Shenzhen Arashi Vision Co. mit Sitz in Shenzhen, China. Es gibt wohl keinen anderen Hersteller, der ein derart breites Sortiment an Panorama-Kameras hat, vom winzigen Einsteigermodell fürs schmale Budget bis zu 8-äugigen-Profi-Boliden für 17.000 Euro. Vor ziemlich genau einem Jahr hatten wir schon eine Kamera mit ganz ähnlichem Namen im Test: die Insta360 One, die aber, anders als der Name vermuten lässt, keinesfalls die erste Kamera des Herstellers war. Der neues Spross aus dem Hause Insta360 hat einfach ein "R" hinten dran also "One R", hat außer der Namensähnlichkeit aber kaum etwas mit der ersten One gemeinsam.
Zum Test lag uns das "Twin Edition" genannte Bundle vor. In der Packung des Kombo-Kits befinden sich folgende Komponenten:
- Die Basiseinheit mit den Bedienelementen und dem kleinen Touch-Screen ("One R Core" genannt).
- Ein Weitwinkel-Actioncam-Kameramodul ("4K Weitwinkel Mod").
- Ein 360-Grad-Panorama-Kameramodul mit zwei Objektiven ("Dual-Lens 360 Mod").
- Ein Akku-Modul ("Battery Base").
- Eine Halterung bestehend aus Montage-Rahmen, Stativ-Gewinde und Knebelschraube ("Mounting Bracket").
In diesem Test geht es aber zunächst nur um die Insta360 One R als vollsphärische Panorama-Kamera. In Verbindung mit der Action-Kamera verhält sich die Insta360 One R völlig anders und wir widmen dieser einen zweiten ausführlichen Test. UPDATE 2020-03-05: Insta360 hat uns mitgeteilt, dass in Verbindung mit dem 4K Wide Mod ende März ein Firmware-Update geplant ist, dass signifikante Leistungsverbesserungen bringen soll. Da wir die Actioncam möglichst in ihrer (mehr oder weniger) finalen Version testen möchten, werden wir den Test mit dem 4K Weitwinkel-Modul deshalb noch verschieben bis die neue Firmware erschienen ist. Einen dritten Test wollen wir der One R in der Konfiguration mit dem hochwertigen 1-Inch-Kameramodul widmen. Die 1-Zoll-Version soll voraussichtlich Ende März erhältlich sein. Unser Test der 1-Inch-Version wird also voraussichtlich erst im April erscheinen.
Bundles So wie hier getestet, gibt es die Insta360 One R übrigens auch zu kaufen. Das Paket nennt sich "360 Edition" und enthält alle oben genannten Komponenten mit Ausnahme des 4K-Weitwinkel-Actioncam-Moduls. Der Preis im Online-Shop des Herstellers beträgt zum Zeitpunkt des Tests 489,99 Euro inkl. Mehrwertsteuer und Versandkosten. Das so zu kaufen, macht aber wenig Sinn, denn für nur 20 Euro mehr gibt es das Actioncam-Modul mit dazu, das einzeln 119,99 Euro kostet.
Überhaupt keinen Sinn macht zum Zeitpunkt des Tests die sogenannte "Expert Edition", die statt des normalen 4K-Actioncam-Moduls das hochwertige 1-Zoll-Weitwinkel-Modul enthält, dessen Sensor mehr als viermal so groß ist. Diese Kombination ist zwar technisch hochattraktiv, kostet zum Zeitpunkt des Tests aber 809,98 Euro, d. h. man bezahlt im Bundle den vollen Einzel-Aufpreis zum 1-Inch-Modul (Einzelpreis 319,99 €), irgendwie hat Insta360 da den Rabatt vergessen. Wiederum für nur 20 Euro mehr (829,98 €) gibt es dann in der Trio-Edition wiederum das 4K-Weitwinkel-Modul mit dazu.
Alles klar? Nochmal in Kurzform: Besonders interessant sind nur die Twin Edition und die Trio Edition. Nur bei diesen beiden bekommt man das normale 4K-Actioncam-Modul für schmale 20 Euro Aufpreis.
Der erste Eindruck nach dem Auspacken ist super positiv. Fast alle Teile sind hochwertig verarbeitet und auch sehr liebevoll designt. Lediglich die Verschraubung des Halterahmens fällt negativ auf: Sowohl die Hutmutter als auch die Schraube (mit Sechskantkopf) im Kunststoffknebel sind nur eingesteckt, aber nicht verklebt oder sonstwie gut befestigt. Stößt beim Einführen die Schraube am Ende gegen die Mutter, fällt entweder die Mutter heraus oder die Schraube rutscht zurück, je nachdem, was als erstes nachgibt. Vielleicht noch ein Vorserien-Problem.
Tatsächlich stammt das Modell, das wir zum Test bekommen haben, noch aus der Vorserie. Bei den finalen Geräten, die jetzt an die Käufer ausgeliefert werden, soll der Abstand zwischen Kamera- und Aufzeichnungs-Modul und dem Akku-Pack geschlossen sein. Dies ist eine rein kosmetische Maßnahme. Die Abdichtung zwischen allen Komponenten erfolgt über Gummidichtungen um die Steckkontakte herum. Von denen gibt es insgesamt drei. Einen zwischen Akku- und Aufzeichnungs-Einheit und zwei recht breite, vielpolige Kontakte zwischen Kameramodul und Aufzeichnungseinheit. Von den symmetrisch angeordneten Steckkontakten nutzt das Weitwinkel-Actioncam-Modul nur eine Steckerleiste zur Zeit, je nachdem in welche Richtung die Kamera schaut. Auf diese Weise kann man das 4K-Weitwinkel-Modul statt mit der Blickrichtung nach vorne auch mit Blickrichtung nach hinten montieren, also im Selfie-Modus, in dem man sich selbst im auf dem Monitor sieht.
Bringt man das 360-Grad-Kameramodul an, nutzt dieses beide Kontaktleisten, eine für jede der beiden Kameras. Kameramodul und Aufzeichnungsmodul zusammen werden dann in das Akku-Modul gesteckt und rasten dort sicher ein. Nun hat man schon eine funktionierende Kamera gebaut (entweder eine zweiäugige Panorama-Kamera oder eine einäugige Actioncam). Um das Ganze nun aber noch irgendwo befestigen zu können, muss noch der eingangs schon beschriebene Rahmen drum herum, denn ein Stativgewinde hat das Batteriepack leider nicht.
So montiert bleiben die beiden Tasten – Ein-/Aus und der Auslöser – auf der Oberseite der Basiseinheit durch eine Aussparung im Rahmen zugänglich, wenn auch die Bedienung der dann tief versenkten Tasten recht fummelig ist. Gut zugänglich bleibt der Touch-Screen. Dies gilt jedenfalls, solange man nicht die optionalen Objektiv-Schutzgläser ("Lens Guards") für das 360-Grad-Modul am Halterrahmen befestigt. Damit sind dann zwar die vorstehenden 360-Grad-Objektive gut geschützt, aber der Touchscreen ist nur noch teilweise sicht- und bedienbar.
Dass solche winzigen Touchscreens neuerdings in Mode kommen, ist schon interessant. Diese 1,4 Zoll kleinen Displays findet man typischerweise in Smart Watches, aber auch die kleine DJI Osmo Pocket Gimbal-Kamera hat einen solchen kleinen Touch-Screen verbaut. Actions-Cams haben größere Monitore, was der Bedienung und der Darstellung von Symbolen und Sucherbild natürlich sehr förderlich ist. Bei dem modularen Konzept der Insta360 One R war aber gar nicht mehr Platz für einen größeren Monitor, das muss man fairerweise zugeben. So bleibt der kleine Monitor aber eine Notlösung. Die Benutzeroberfläche setzt ganz auf Symbole. Diese sind wiederum oft nicht selbsterklärend, sodass eine gewisse Einarbeitungszeit nötig ist. Man kann sich zwar bei jeder Einstellung mal durchklicken und bekommt eine Ebene tiefer dann auch eine Klartextanzeige auf Englisch. Aber so richtig geschmeidig fanden wir die Bedienung nicht.
Das geht natürlich über die entsprechende Smartphone-App etwas komfortabler. Für die Insta360 One R gibt es speziell eine gleichnamige App für Android und iOS, die ich auf beiden Plattformen ausprobiert habe. In der App lassen sich gar nicht alle Sachen einstellen, sondern einige Basis-Einstellungen (z. B. die Stromspar-Optionen) können ausschließlich an der Kamera selbst festgelegt werden. Schlimmer noch: Wenn die Kamera per Smartphone-App ferngesteuert wird, lässt sie sich direkt am Touchscreen gar nicht mehr bedienen (beim Versuch das zu tun, erscheint ein entsprechender Hinweis). Man muss dann mit den aktuellen Einstellungen leben oder die Fernsteuerung beenden.
Flowstate-Stabilisierung ist eine hochwirksame Bildstabilisierung, die Insta360 seit 2018 in seinen Panoramakameras nutzt. Die Kameras registrieren mit einem 6-Achsen-Gyroskop permanent jede Bewegung, der sie ausgesetzt sind und zeichnen diese Information mit auf. Die nachfolgende Software (Smartphone-App oder Desktop-Programm) nutzt die Information um das Videobild beim Stitchen Bild für Bild horizontal auszurichten und Verwackelungen und Erschütterungen herauszurechnen. Dies geht bei den 360-Grad-Kameras nur wenig zu Lasten der Bildqualität und sorgt für ein absolut ruhiges 360-Grad-Video.
Aufnahmerelevante Einstellungen lassen sich aber natürlich von der App aus einstellen, beispielsweise wie viele Sekunden Vorlauf der Selbstauslöser haben soll oder in welcher Auflösung man Videos aufzeichnen möchte. Nicht ferngesteuert lassen sich diese Einstellungen auch an der Kamera selbst machen. Beides hat auch durchaus seine Berechtigung. Für ein schnelles Foto (dann natürlich mit 5 oder 10 Sekunden Selbstauslöser-Vorlauf) oder zum Starten der Videoaufnahme ist es viel einfacher und schneller das direkt an der Kamera zu starten als erst eine Verbindung von der App aus aufzubauen.
Das liegt wiederum auch daran, dass der Verbindungsaufbau vom Smartphone nicht immer geschmeidig läuft. Dies gilt sogar dann, wenn die WLAN-Verbindung zwischen Kamera und Smartphone schon steht. Selbst dann muss der Anwender mehrere Schaltflächen bestätigen, bis die App wirklich mit der Kamera kommuniziert und man das Sucherbild auf dem Smartphone sieht und endlich die Aufnahmetaste drücken darf. Noch eine Nummer schlechter lief es bei uns unter Android. Da mussten wir zusätzlich jedes Mal die WLAN-Verbindung in den Einstellungen manuell herstellen (selbst wenn kein anderes WLAN-Netz in Reichweite war). Grund dieser Misere scheint zu sein, dass Insta360 keine Bluetooth-Verbindung zwischen Smartphone und Kamera nutzt, über die sich dann auch ein eventuelles Zuschalten der WLAN-Verbindung initialisieren ließe (was eigentlich bei Kamerafernsteuerungs-Apps mittlerweile gängige Praxis ist). Die Kamera unterstützt zwar Bluetooth. Dieses wird aber offenbar nur zur Steuerung durch eine optional als Zubehör erhältliche GPS-Fernbedienung verwendet oder eine Apple-Watch, für die es von Insta360 eine entsprechende App gibt. Darüber hinaus können Apple AirPods zur Ton-Aufzeichnung gekoppelt werden. (Anmerkung: Laut Insta360 soll die Bluetooth-Verbindung mit iPhones funktionieren, nur nicht mit Android. Wir konnten die Kamera jedoch auch nicht mit einem iPhone koppeln.)
Das Aufnehmen von Bildern und Videos soll übrigens theoretisch auch per Sprachsteuerung gehen. Hierzu gibt es fünf Sprachbefehle auf englisch zum Schießen von Fotos ("Take a Photo"), zum Starten ("Start Recording") und zum Stoppen ("Stop Recording") der Videoaufzeichnung, zum Markieren ("Mark That") und zum Ausschalten der Kamera ("Shutdown Camera"). Die Sprachsteuerung funktioniert in unserem Test allerdings nicht, die Kamera reagierte darauf schlichtweg nicht (obwohl die Sprachsteuerung laut Menü aktiviert war).
Zum Anschauen bzw. Weiterverarbeiten gibt es drei Wege, die gleichzeitig drei Qualitätsstufen darstellen. Schon ganz ohne externe Hilfe können Fotos und Videos direkt nach der Aufnahme direkt auf dem Mini-Bildschirm der Kamera betrachtet werden. Hierbei werden die Halbbilder nur provisorisch zusammengedengelt, ohne jeden Qualitätsanspruch und mit deutlichen Doppelbildern. Das reicht aber durchaus um zu schauen, ob überhaupt das Richtige auf der Aufnahme drauf ist und ob die Belichtung stimmt.
Deutlich besser und komfortabler ist die Wiedergabe auf dem Smartphone. Dem läuft natürlich der Bildtransfer via WLAN voraus, aber das geht ziemlich flott. Die Panoramabilder und Videos werden auf dem Smartphone sehr ordentlich zusammengefügt dargestellt und können aus der App heraus ins lokale Album exportiert und von dort aus geteilt werden. Die Qualität bei Videos ist dabei auf maximal 4K beschränkt, was aber nicht wirklich eine Einschränkung sein muss (siehe Abschnitt Bildqualität, da gehe ich darauf noch genauer ein). Erwähnen möchte ich noch, dass sich die Smartphone-App zwar flüssig bedienen lässt, aber enorm Batterie frisst. Vor allem unter iOS konnte ich zuschauen, wie die Akku-Prozentanzeige herunterzählte. Das gilt sowohl beim Fernsteuern der Kamera als auch beim Verarbeiten der Videos. Letzteres sollte man also am besten machen, wenn das Smartphone am Ladegerät hängt.
Wer mehr beeinflussen oder die bestmögliche Qualität erzielen will, greift am Besten zur Desktop-App. Die heißt in der neuesten Version Insta360 Studio 2019 und ist die gleiche App, die Insta360-Kunden auch mit den anderen Panoramakameras des Herstellers verwenden. Der Zeitaufwand bei der Bearbeitung steigt dabei gegenüber der Smartphone-Variante allerdings um das Vielfache. Immerhin müssen die Fotos und Videos erstmal von der Kamera bzw. der Speicherkarte in den Rechner (per Kartenlesegerät oder per USB-C-Kabel). Danach sieht sich der Anwender erstmal etwas ratlos, denn auf der Speicherkarte sind keine normalen Fotos oder Videos, wie bei anderen Panorama-Kameras, sondern Dateien mit den Endungen INSP (für INSta360 Picture) und INSV (für INSta360 Video), daneben liegen dann ggf. noch die DNG-Dateien mit den Rohdaten-Fotos.