Seite 2 von 2Zur Seite 1 wechseln

Dabei sind die Dateien, die die Kamera speichert, offenbar ganz normale Fotos und Videos. Benennst du eine xx.INSP-Datei mal in xx.JPG um … viola, schon kannst du sie überall öffnen und der Windows-Explorer zeigt auch die eigens eingebettete Miniatur an. Dasselbe bei den Videos. Machst du aus xx.INSV einfach xx.MP4 kannst du die Videos überall anschauen, bekommst Dateiinformationen über Breite, Höhe, Bitrate usw., wie bei jedem anderen Hersteller auf der Welt auch. Was der Quatsch mit den Spezial-Dateiendungen soll, erschließt sich mir nicht. Einzig die Bildstabilisationsinformationen müssen in den Videos ja noch irgendwie enthalten sein. Diese werden von der Insta360 One nicht, wie bei einigen anderen VR-Kameras, in separaten Dateien abgelegt.

  • Bild Auf der Unterseite hat die Insta360 One ein Standard-Stativgewinde. Daneben sitzt der Steckplatz für MicroSD-Karten. [Foto: Insta360]

    Auf der Unterseite hat die Insta360 One ein Standard-Stativgewinde. Daneben sitzt der Steckplatz für MicroSD-Karten. [Foto: Insta360]

Nähert man sich auf diese Weise den Besonderheiten der Insta360 One wird klar, wie diese eigentlich arbeitet. Auf der Speicherkarte landen ausschließlich ungestichte Daten. Selbst die Fotos sind dort "roh", auch die JPEGs aka INSP, also in Form von zwei kreisrunden Teilbildern, die zum Betrachten erst in eine Rektangular-Projektion umgerechnet werden müssen. Das ist, zumindest bei den JPEGs ziemlich ungewöhnlich, grundsätzlich aber nicht schlimm, sofern der Anwender bei Verwendung der App davon nichts mitbekommt (und das tut er ja nicht) und der mobile Workflow, also der Export und das Teilen, gewährleistet ist (und das ist es ja). Insofern stellt sich aber die Frage, welche Vorteile der Anwender denn von der Desktop-Software haben soll und warum er sich den Blindflug mit den INSP- und INSV-Dateien antun soll. Ganz ehrlich – ich weiß es nicht. Sicherlich kann man in der Software sehr viele Parameter einstellen und vielleicht kommt da im Einzelfall auch mal irgendwo noch ein Quäntchen Qualität raus oder der eine oder andere Problemfall lässt sich durch Feinjustage vielleicht beheben.

Aber der große Sinn hinter dem Aufwand ist für mich nicht erkennbar. Die beste Qualität der exportierten Videos hat 60 MBit/s, die nächste dann 30 MBit/s. Die Smartphone-Software liefert den gesunden Mittelwert: 45 MBit/s. Und das ungestitchte Roh-Video hat ohnehin nur 40 MBit/s. Farbanpassungen beherrscht weder die Smartphome-App noch die Desktop-Software. Die müsste ich also vorher mit einer anderen Software machen, was aber kaum sinnvoll geht, weil ja keine Software INSV-Dateien verarbeiten kann. Bei den Fotos würde es Sinn machen, die DNGs mal durch einen guten Rohdatenkonverter zu jagen. Aber dann muss ich sie auch wieder als DNG exportieren, weil sie ja noch nicht gestitcht sind. Die Insta360 Software exportiert zwar auch gestichte DNGs, die sind dann aber sichtbar "bearbeitet" (klar, sind ja auch umgerechnet) und danach ist dann eigentlich alles zu spät. Wenn, dann müssten die rohen DNGs verarbeitet werden. Adobe Camera Raw und Lightroom machen die auch auf und dort kann ich dann auch optimieren. Damit kann ich einiges an Qualität aus den Fotos herausholen, aber das ist umständlich, denn anschließend muss man sie ja wieder als DNG speichern und in Insta360 stitchen und dann endgültig exportieren. Ich denke, der Aufwand geht klar an der Zielgruppe vorbei. Ich wollte übrigens das wunderbaren Prime-Rauschreduzierungs-Tool der DxO-Optics-Pro-Software mal auf die DNGs aus der Insta360 loslassen, aber die DxO-Software weigert sich hartnäckig, die DNGs der Insta360 One zu öffnen.

Tipp Halte Ordnung auf der Speicherkarte der Kamera. Lösche misslungene Fotos und Videos schon mit der Mobil-App, denn nur dort bekommst du einen Überblick über die auf der Speicherkarte vorhandenen Medien. So findest du leichter am Windows-PC oder Mac die Medien, die du dort vielleicht bearbeiten möchtest.

Und wie ist nun eigentlich die Qualität? Ich habe ja schon geschrieben, dass die mobilen Apps sehr konsequent dafür sorgen, dass du nie weit ins Video oder Foto reinzoomst. Das könnte ja ein Hinweis darauf sein, dass dort beim näheren Hinsehen nichts Gutes zu entdecken ist. Aber die Befürchtung ist eigentlich unbegründet. Nun haben wir ja aktuell leider die dunkle Jahreszeit und entsprechend habe ich viele Fotos und Videos mit der Insta360 One gemacht, die unter wirklich sehr schwachen Lichtverhältnissen entstanden sind. Das ist ganz klar nicht so das ideale Umfeld der Kamera. Aber das gilt für die Produkte der Mitbewerber genauso. Da die Insta360 One überhaupt so nett ist und mal DNG-Rohdatenfotos speichert, kommt der Anwender, wenn er will, in den "Genuss" sich das Bildrauschen einmal in voller Original-Schönheit anzuschauen. Darüber geht dann natürlich die Bildbearbeitung der mobilen App oder der Desktop-App. Danach ist da kein Rauschen mehr aber auch die Details sind weg. Und dasselbe passiert natürlich im Grunde bei den Videos.

Beispielfotos

Zwei mit der Insta360 One aufgenommene Beispielfotos (mit den Doppelpfeilen rechts und links kannst du zwischen beiden Fotos wechseln). Beide sind mit der Insta360Studio Desktop-Software verarbeitet, weil diese doch noch etwas mehr Qualität aus den Daten holt. Bei der Aufnahme auf dem Weihnachtsmarkt zur blauen Stunde greift natürlich die Rauschreduzierung stark ein und die Aufnahme hat entsprechend reduzierte Details. Bei Tageslicht (Foto an der Wassermühle) sieht das etwas besser aus. [Fotos: Jan-Markus Rupprecht]

Selbst in hellerer Umgebung, bei richtigem Tageslicht, sind die Aufnahmen nicht sehr detailreich. Das gilt auch schon für das Ausgangsmaterial. Das liegt ja ungestitcht in 3840 x 1920 Pixeln Größe vor. Aber darin enthalten ist zweimal der volle 209-Grad-Bildkreis und noch eine Menge schwarze Fläche. Von wirklichem 4K sind wir hier also recht weit entfernt, denn der effektiv nach dem Stitchen verwendete Bereich ist doch recht klein. Die Bildrate beim Ausgangsmaterial ist mit 40 Mbit/s für eine 4K-Auflösung auch sehr bemessen. Das alles zeigt, was die Insta360 One im Grunde ist: Eine einfach anzuwendende VR-Kamera mit schönen Effekten und einer Qualität, die auf mobilen Geräten sehr schöne Ergebnisse zeigt – mehr aber auch nicht. Kaum Augenmerk legt der Hersteller bei der One-Kamera auch auf den Ton. Wo andere Hersteller teilweise mit drei Mikrofonen Raumklang einfangen oder zumindest mit zwei Mikrofonen Stereo liefern, zeichnet die One ganz pragmatisch in Mono auf.

Beim Stitching leistet sich auch die Desktop-Software häufig recht gravierende Schwächen. Beim schnellen Stichen per Smartphone kann und muss man das tolerieren. Aber bei der langen Zeit, den sich die Insta360Studio Software zum Bearbeiten der Videos gönnt, dürften die Ergebnisse eigentlich etwas besser sein. Die Bildstabilisierung, selbst mit der ganz neuen Firmware, arbeitet im Groben sehr gut, d. h. sehr wilde Kamerabewegungen werden wirklich erstaunlich gut ausgeglichen. Kleinere Kamerabewegungen in den Videos bleiben bisweilen deutlich sichtbar. Montiert auf einem Boot beispielsweise oder beim Skifahren dürfte die Stabilisierung sehr gut funktionieren.

  • Bild Ein Transportgehäuse wird bei der Insta360 One erfreulicherweise gleich mitgeliefert, sodass die vorstehenden Linsen bei Transport gut geschützt sind. Praktisch: Es dient gleichzeitig als kurzer Selfie-Stick oder einfaches Tischstativ. [Foto: Insta360]

    Ein Transportgehäuse wird bei der Insta360 One erfreulicherweise gleich mitgeliefert, sodass die vorstehenden Linsen bei Transport gut geschützt sind. Praktisch: Es dient gleichzeitig als kurzer Selfie-Stick oder einfaches Tischstativ. [Foto: Insta360]

Die Qualität der Fotos und Videos ist übrigens bei der Verarbeitung über die Desktop-Software signifikant besser als per Smartphone-App. Der große Aufwand dafür lohnt also ggf. zumindest bei wichtigen Videos. Fürs schnelle Verarbeiten zwischendurch reicht aber durchaus die mobile App und viele Funktionen, wie Freecapture oder Bullet Time gehen sowieso nur mit der mobilen App. Die Desktop-App ist eher dazu da, bestmögliche VR-Videos zu generieren.

Fazit

Die Insta360 One besitzt viele clevere Details. Der Verzicht auf WLAN/WiFi ist kein Nachteil. Während der Aufnahme wird die Kamera über kurze Distanz per Bluetooth fernbedient (allerdings ohne Livebild) oder direkt ins Smartphone oder Tablet gesteckt (dann mit Livebild). Dass die Aufnahmen auf der Speicherkarte zunächst nur ungesticht gespeichert werden, ist ebenfalls kein Problem, denn über die Steckverbindung kommen Fotos und Videos nach der Aufnahme schnell ins Smartphone und können dort mit der leistungsfähigen App verarbeitet und geteilt werden. Der Workflow am Desktop gefällt weniger gut – dort stören die scheinbar proprietären Dateiformate und die fehlende Dateiübersicht im Programm. Zudem waren die Renderzeiten auf unserem aktuellen Notebook-Computer extrem lang und dafür die Stiching-Ergebnisse nicht immer gut. Qualitativ liegen die Ergebnisse im Mittelfeld. Die selbst bei brauchbarem Licht nötige starke Rausunterdrückung kostet viele Details. Zudem sind Fotos und Videos schon in der ungestitchten Version sehr stark komprimiert. Auf kleineren Devices wie Smartphones und Tablets sehen die Ergebnisse gut aus, auf größeren Monitoren jedoch nicht.

Vorteile

  • pfiffiges Kamerakonzept
  • einfache Bedienung
  • umfangreiche mobile Verarbeitungsmöglichkeiten

Nachteile

  • Bildqualität reicht nur für die Wiedergabe auf Mobilgeräten (dann aber gut)
  • eigenwillige Dateiformate