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Foto und Video in der Praxis

Der erste Eindruck ist überzeugend. Um die Bildergebnisse einzuordnen haben wir das Huawei P9 mit dem Apple iPhone 6s Plus verglichen. Nicht weil die Benutzer ernsthaft vor der Wahl stehen werden – in der Regel steht davor ja die Wahl des Betriebssystems (Android oder iOS), sondern weil das iPhone 6s weit verbreitet und "anerkannt gut" ist und vor allem von den Kamera-Eckwerten sehr ähnlich ist: Bei Auflösung, Sensorgröße, Brennweite und Objektiv-Lichtstärke liegt das Huawei P9 extrem dicht an den aktuellen Apple iPhones. So fallen bei hellem Sonnenschein dann auch die Bildergebnisse sehr ähnlich aus – und sehr gut. Die Bilder sind scharf und fein aufgelöst. Die Darstellung in 100 % (1 Pixel aus dem Foto wird 1 Pixel auf dem Monitor) zeigt sehr gefällige Fotos. Die des Huawei wirken "knackiger", was auf eine stärkere Scharfzeichnung zurückzuführen ist. Die Fotos aus dem iPhone sind etwas "ehrlicher" und eignen sich besser zur weiteren Nachbearbeitung. Die JPEG-Fotos aus dem Huawei P9 sind eher "fertig", daran wird man mit der Bildbearbeitung nicht mehr viel verbessern können. Aber es gibt ja auch noch die DNG-Rohdatendateien, die du zuschalten kannst. Damit hast du dann alle Möglichkeiten in der Bildbearbeitung und das ist ein Riesen-Pluspunkt!

  • Bild Die Rückseite des Huawei P9 im Detail: Dort den Fingerabdrucksensor (unten im Bild) unterzubringen, finden wir nicht ideal. Oben erkennt man das Doppelkamera-System inklusive Doppel-LED-Blitz. [Foto: MediaNord]

    Die Rückseite des Huawei P9 im Detail: Dort den Fingerabdrucksensor (unten im Bild) unterzubringen, finden wir nicht ideal. Oben erkennt man das Doppelkamera-System inklusive Doppel-LED-Blitz. [Foto: MediaNord]

  • Bild Die Dual-Kamera des Huawei P9 soll neue Möglichkeiten bei der Smartphone-Fotografie eröffnen. Eine Kamera ist mit einem normalen RGB-Farbsensor bestückt, die zweite Kamera besitzt einen Graustufen-Sensor. [Foto: Huawei]

    Die Dual-Kamera des Huawei P9 soll neue Möglichkeiten bei der Smartphone-Fotografie eröffnen. Eine Kamera ist mit einem normalen RGB-Farbsensor bestückt, die zweite Kamera besitzt einen Graustufen-Sensor. [Foto: Huawei]

Bei wenig Umgebungslicht waren die Ergebnisse allerdings ernüchternd. Nicht weil die Bildqualität an sich schlecht war. Unsere Praxis-Testfotos waren im Automatik-Modus aufgrund von sehr langer Belichtungszeit (1/20stel Sekunde) bei bewegten Motiven verwackelt. Einen Bildstabilisator haben die Kameras des Huawei P9 ohnehin nicht, aber bei bewegten Motiven würde der ja auch nichts nützen. Zudem sind die Aufnahmen bei ISO 500 stark von der Rauschuntertrückung geprägt und haben nicht annähernd die Details der Sonnenschein-Aufnahmen. Also ist es wohl mit der von Huawei so beworbenen Low-Light-Fähigkeit der Doppel-Kamera nicht weit her? Eigentlich sollte doch eine der beiden Kameras als reine Graustufenkamera bei wenig Licht ihre höhere Lichtempfindlichkeit ausspielen?

Ein Blick ins Labortestdiagramm bringt Klarheit – und offenbart eine derzeit offenbar nicht optimale Abstimmung der Automatik. Den ausführlichen Anmerkungen von Benjamin Kirchheim zu den Laborwerten (erscheinen aufgrund anderer Prioritäten erst Freitag oder Montag) möchte ich hier nicht vorgreifen. Aber ein Blick in die Kurven lässt vermuten, dass die zweite Kamera (die Graustufenkamera) erst ab ISO 800 zugeschaltet wird. Bei diesem Wert verbessert sich der Signal-Rauschabstand nämlich wieder etwas, wo er eigentlich kontinuierlich weiter abfallen müsste. Tatsächlich sehen auch unsere Beispiel-Testbilder von unserem Testaufbau im Labor bei ISO 800 gar nicht so schlecht aus. Da darf die Frage erlaubt sein, wieso das Huawei P9 diese ISO-Stufe in der Automatik nicht eher nutzt, sondern stattdessen lange im Bereich von ISO 500 bleibt, unnötig lange Belichtungszeiten in Kauf nimmt und diese ISO-Stufe offensichtlich allein mit der Farbkamera macht. Da ist möglicherweise über künftige Updates der Firmware und/oder der Kamera-App noch etwas mehr Qualität und Praxistauglichkeit drin.

Generell zeigt sich aber, dass das Huawei P9 schon jetzt bei Fotos in der Smartphone-Spitzenklasse mitspielen kann. Im direkten Vergleich zum iPhone 6s Plus sind die (unbeweglichen und vom Stativ fotografierten) Testaufnahmen in höheren ISO-Bereichen deutlich besser. Bei niedrigen ISO-Zahlen (z. B. ISO 100) sind die 12-Megapixel-Konkurrenten noch nahezu gleich gut. Uns persönlich gefällt das ehrlichere, weniger stark scharfgezeichnete Bild der iPhone-Kamera sogar etwas besser als das knackscharfe Foto der Leica-Kamera aus dem Huawei P9. Aber das ist Geschmacksache. Zu starke Scharfzeichnung muss man dem Huawei jedenfalls nicht vorwerfen. Bei höheren ISO-Werten kehrt sich das Bild dann zunehmend deutlich zugunsten des Huawei P9. Wobei das iPhone, wie übrigens viele Smartphones, hohe ISO-Zahlen aufgrund seines kleinen Bildsensors wirklich nicht mag. Anders das Huawei mit seinem Doppelkamera-System, das sich bei ISO 400, aber besonders auch bei ISO 800 sehr gut schlägt. Man mag gar nicht glauben, dass diese Aufnahmen aus einem Smartphone stammen. Selbt bei ISO 1600 sehen die Aufnahmen noch recht brauchbar aus, wo beim iPhone das Motiv längst im Rauschen untergeht. Erst die Stufe ISO 3200 (die das iPhone gar nicht mehr anbietet) hört auch beim Huawei der Spaß auf. Leica und Huawei haben ihre Hausaufgaben bei Fotos also gemacht. Zusätzliche Pluspunkte gibt es dafür, dass die Aufnahmen zusätzlich als Rohdaten im standardisierten DNG-Format gespeichert werden können. Mit einem guten Entrauschungsprogramm oder einem guten Rohdatenkonverter kann man damit nochmals deutlich mehr aus den Bildern herausholen. 

Nicht so überzeugend gerät das automatische Schwenkpanorama, das keinen geraden Horizont hinbekommt und zusätzlich deutlich sichtbare Stitching-Fehler zeigt. Auch im Video-Bereich bietet das Huawei mit maximal FullHD-Auflösung bei 30 Bildern/s nur Standard-Leistung. Die Videos sehen aber gut aus, die Bildrate geht mit rund 18 Mbit/s in Ordnung. Der Schwerpunkt des Doppelkamerasystems liegt ganz klar bei den Standbildaufnahmen.

Fazit

Das Huawei P9 mit seiner Leica-Doppelkamera gehört hinsichtlich der Foto-Bildqualität zu den besten Foto-Smartphones auf dem Markt. Insbesondere bei höheren ISO-Werten bis 1600 ist die Bildqualität relativ gesehen sehr gut. Trotz dieser guten Low-Light-Fähigkeiten tendiert die Automatik allerdings zu niedrigen ISO-Werten und langen Belichtungszeiten und provoziert damit Verwackelungs- und Bewegungsunschärfen, zumal die Kameras keinen Bildstabilisator haben. Angesichts der guten Kameraeigenschaften haben wir außerdem einen zweistufigen Fotoauslöser (als Hardware-Taste) schmerzlich vermisst. Video-Aufnahmen beherrscht das Huawei P9 nur mit FullHD-Auflösung.

Vorteile

  • sehr gute Bildqualität
  • noch gute Bildqualität bis ISO 800, noch brauchbar bei ISO 1600
  • sehr gute Verarbeitung, sehr flaches Gehäuse
  • Fotos zusätzlich als DNG-Rohdatendateien speicherbar

Nachteile

  • kein Bildstabilisator
  • kein Auslöse-Taster
  • Belichtungsautomatik nutzt gute Low-Light-Fähigkeit nicht aus