Android-Edel-Smartphone Eine "Leica-Kamera" in einem Smartphone – das weckt natürlich Erwartungen! Erst recht, wenn gleich zwei Kameramodule (mit gleicher Brennweite) eingebaut sind und damit ein völlig neues Konzept auf den Markt kommt. Wir hatten nach dem digitalkamera.de-Labortest des neuen Huawei P9 noch die Gelegenheit, das neue Smartphone ein wenig praktisch zu erproben. Zusammen mit den Labor-Werten bekommt man dann schon eine Ahnung, wie das mit der Doppelkamera wohl funktioniert. Und dass es gut funktioniert!

  • Bild Schlicht und gut verarbeitet: das Huawei P9. [Foto: MediaNord]

    Schlicht und gut verarbeitet: das Huawei P9. [Foto: MediaNord]

  • Bild Design-Patzer auf der Rückseite des Huawei P9: Der simple CE-Zeichen-Aufkleber passt so gar nicht zum sonst hochwertigen Erscheinungsbild. [Foto: MediaNord]

    Design-Patzer auf der Rückseite des Huawei P9: Der simple CE-Zeichen-Aufkleber passt so gar nicht zum sonst hochwertigen Erscheinungsbild. [Foto: MediaNord]

Normalerweise gehen bei uns Testgeräte erst auf den Fototisch, dann ins Testlabor und danach in den Praxistest. In diesem Fall war es urlaubsbedingt genau andersherum. Dabei war das Huawei P9 effektiv nicht einmal eine Woche bei uns. Zu wenig Zeit für eine ausgiebige Erprobung, aber genug Zeit um einen ersten Eindruck zu bekommen. Die umgekehrte Reihenfolge, d. h. Praxiserprobung ohne zu wissen wie das Gerät im Labor abgeschnitten hat, ist dabei gut und schlecht zugleich. Einerseits ist es natürlich prima, sich von Labormesswerten ganz unvorbelastet einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Anderseits hätten wir mit dem aus den Laborergebnissen gewonnenen Ergebnissen gern die eine oder andere Sache nochmal genauer angeschaut – aber da musste das Testgerät leider schon wieder zurück. Dennoch ergibt sich schon ein ganz schlüssiges Gesamtbild. Und das ist erfreulich gut.

Neuartige Kameratechnik

Die beiden Kameras stellen eine Besonderheit da. Hier wird nicht, wie etwas beim Dual-Kamera-Smartphone LG G5, eine unterschiedliche Brennweite der Objektive verwendet, um zwei Bildwinkel einzufangen und allerlei Effekte zu ermöglichen. Beim Huawei P9 sind die Objektive identisch. Hinter dem einen sitzt aber ein normaler RGB-Sensor, während sich hinter dem anderen ein Monochrom-Sensor, also ein Graustufen-Sensor, verbirgt. Das sorgt – bei Umschaltung auf den Monochrom-Modus – für Schwarzweiß-Fotos mit deutlich höherer Qualität als sie aus den Farbfotos (durch "Herausrechnen" der Farbe) entstehen könnten. Diesen Effekt kennt man schon von der Leica M Monochom, die native Schwarzweißbilder aufnimmt, deren Qualität spektakulär ist. Aber das Fotografieren im Schwarzweiß-Modus ist nun nicht das, was der Smartphone-Fotograf typischerweise den lieben langen Tag macht.

Der zweite Vorteil der Dual-Kamera entsteht laut Huawei durch die Kombination beider Kamerabilder, also des Farbbilds aus der normalen Kamera und des Graustufenbildes aus der Monochrom-Kamera. Da der Graustufen-Sensor durch den Entfall der Farbfilter dreimal so lichtempfindlich sein soll ("can catch 200 % more light"), soll die Kombination aus beiden Bildern immerhin noch doppelt so effektiv sein ("100 % more than other smartphones"). Das ist ein interessanter Ansatz, ein typisches Smartphone-Kamera-Problem anzugehen – die relative geringe Low-Light-Fähigkeit bedingt durch kleine Sensoren.

Hochwertige Verarbeitung

Dass Huawei in einigen Punkten das große Vorbild Apple imitiert, lässt sich kaum bestreiten. Das fängt bei der blütenweißen Verpackung an und hört bei dem Monoblock-Gehäuse mit den integrierten, durch grauen Kunststoff vom Rest des Gehäuses isolierten Antennen sicherlich noch nicht auf. Aber das bekommt dem Smartphone gut. Das Huawei P9 fühlt sich extrem wertig an, ist sehr flach (noch flacher als die aktuelle Apple iPhone Generation) und dabei sehr stabil und liegt super in der Hand. Insbesondere das Verhältnis von Bildschirmgröße zur Gesamtgerätegröße ist beeindruckend. Links und rechts neben dem Display ist nur ein relativ schmaler Rahmen und auch oben und unten wird nicht viel Platz "verschwendet". Der äußere Rahmen ist dabei nur leicht abgerundet (und nicht wie bei Apple "kreisrund"), das spart weitere Millimeter Platz, ohne dass das Gerät schlechter in der Hand liegt, sondern sogar viel sicher als ein iPhone 6/6s ohne Hülle. Die Display-Größe (5,2 Zoll) empfinden wir als tollen Kompromiss zwischen den kleineren (4,7 bis 5,0 Zoll) und den größeren (5,5 und 6,0 Zoll) Geräten. Es gibt übrigens noch zwei weitere Varianten des Huawei P9: Erstens das einfacher ausgestattete P9 Light ohne Leica-Kamera, was für diesen Test uninteressant ist, und zweitens das etwas größere P9 Plus mit 5,5-Zoll-Display.

  • Bild In das schlanke Gehäuse des Huawei P9 passt so gerade eben eine 3,5-Zoll-Headset-Buchse. Die USB-Buchse nutzt den neuen Typ-C-Stecker. [Foto: MediaNord]

    In das schlanke Gehäuse des Huawei P9 passt so gerade eben eine 3,5-Zoll-Headset-Buchse. Die USB-Buchse nutzt den neuen Typ-C-Stecker. [Foto: MediaNord]

  • Bild Das Huawei P9 hat ein gemeinsames Fach für Micro-SD-Speicherkarte und Nano-SIM-Karte. [Foto: MediaNord]

    Das Huawei P9 hat ein gemeinsames Fach für Micro-SD-Speicherkarte und Nano-SIM-Karte. [Foto: MediaNord]

Trotz des sehr dünnen Gehäuses passt noch eine normale 3,5-Zoll-Klinkenbuchse in den Rahmen. Als USB-Anschluss kommt der neue Typ-C-Stecker zum Einsatz, den man beidseitig (also ohne Herumprobieren) einstecken kann. Ein entsprechendes Kabel wird natürlich mitgeliefert. In Details zeigt sich dennoch, dass bei aller angestrebter Design-Perfektion noch einige Luft nach oben ist: Die Rückwand der Europa-Version "ziert" ein großer, hässlicher Aufkleber mit dem CE-Zeichen. Eine Laser-Gravur wäre stattdessen angemessen. Die in die Rückwand eingelassene Glasplatte mit den Kamera-Modulen und dem Doppel-LED-Blitz will ebenfalls irgendwie nicht wirklich zum restlichen Design passen. Und den rückseitig montierten Fingerabdruck-Sensor (ohne Druck-Funktion) empfinden wir auch als unglücklich platziert. Zwar kann man das Gerät so programmieren, dass das Mobiltelefon nach dem Erkennen des Fingers gleich betriebsbereit ist, das aber führt dazu, dass das Huawei P9 vibriert, sobald man irgendwie auf die Sensorfläche kommt. Die von Apple (und anderen Herstellern) gewählte Lösung mit integrierter Drucktaste und Platzierung auf der Gerätefront ist eindeutig zweckmäßiger. Schade finden wir, dass das Huawei P9, das ja mit seinen Leica-Kameras so viel Wert auf Fotografie legt, keinen separaten zweistufigen Fotoauslöser hat. Das gilt natürlich für viele andere Smartphones genauso aber davon wird das ja nicht besser. Was bitte spricht gegen einen zusätzlichen zweistufigen Taster, wie ihn z. B. Microsoft oder Asus (ZenFone Zoom) einbauen?

Kamera-App

Als Betriebssystem kommt das aktuelle Android 6 zum Einsatz in einer stark "huaweiten" Version. Davon abgesehen, dass man am besten gleich einen Huawei-Account anlegen (und damit wahrscheinlich alle seine Daten und Vorlieben nach China melden) soll, macht es einen guten Eindruck. Das gilt auch für die Kamera-App, die zu dem Besten gehört, was wir bislang gesehen haben. Beim ersten Start gibt es eine Einführung, die dir die Bedienung erklärt. Das ist auch sehr nötig, andernfalls würdest du die App nicht bedienen können, denn sie verzichtet weitestgehend auf Schaltflächen. Durch Wischgesten werden von drei Seiten aus weitere Funktionen ausgeklappt: Die diversen Modi für Foto und Video (darunter auch z. B. Schwarzweiß), die Einstellungen und der Pro-Modus. Letzterer ist besonders gut gelungen. Schaltest du den Pro-Modus ein, bekommst du alle üblichen Foto-Parameter (Belichtungszeit, Iso-Zahl usw.) angezeigt und kannst sie auch verstellen. Verschiedene einblendbare Gitter und eine Wasserwaage ergänzen das Angebot der App. Das einzige, was nicht ganz optimal ist: Die weißen Ziffern des Pro-Modus haben nur eine winzige schwarze Haarlinie. Vor weißem Motiv (weiße Hauswand, weißes Schiff) und bei hellem Sonnenlicht hast du keine Chance die Zahlen auf dem Display zu erkennen. Desingmäßig ganz hübsch aber ergonomisch nicht optimal ist auch, dass sich die Zahlen für die Pro-Modus-Einstellungen bei Querformat-Aufnahmen nicht ebenfalls ins Querformat drehen.

Fortsetzung auf Seite 2