Einsatz als Schwebestativ
Beim Einsatz als handgeführtes Schwebestativ macht der Vilta-M Gimbal genau das, was er soll. Die drei verschiedenen Modi eignen sich je nach Anwendungszweck:
- Im Semi-follow-Mode schaut die Kamera vertikal immer in die gleiche Richtung (so wie du sie vor der Aufnahme eingestellt hast, also z. B. genau horizontal oder auch etwas nach oben oder unten geneigt) während horizontale Schwenks schön sanft deiner Handbewegung folgen. Wenn sich bei der Aufnahme alles auf derselben Ebene abspielt, ist das normalerweise der richtige Modus und er ist auch der Default-Modus.
- Im Follow-Mode folgt die Aufnahmerichtung zusätzlich auch vertikal sanft deiner Handbewegung. Diesen Modus habe ich beispielsweise bei der hier gezeigten Beispielaufnahme der Standseilbahn in Lissabon verwendet. Da diese sich nicht nur horizontal bewegt, sondern den Berg rauf und runter fährt, ist es dort die Sichtrichtung während der Aufnahme etwas zu korrigieren. Typischere Anwendungsfälle sind sonst aber eher generell Action-Aufnahmen oder wenn gezielt sanft vertikal geschwenkt werden soll. Auch mit diesem Modus macht man eigentlich generell nichts verkehrt.
- Der Lock-Modus ist eher der Exot unter den drei Modi. Dabei bleibt die Blickrichtung der Kamera immer genau gleich, egal wie du die Kamera hältst. Es wird also überhaupt nichts sanft nachgeführt. Das wäre beispielsweise denkbar, wenn du einen Gimbal-Kopf auf einem Fahrzeug montierst und dabei soll immer genau in Fahrtrichtung gefilmt werden. Für diese Anwendung eignet sich der Vilta-M aber aufgrund seiner Befestigungsmöglichkeit ganz unten am Handgriff eher nicht.
Im handgeführten Betrieb verhält sich der Freevision Vilta-M, wie gesagt, sehr unauffällig. Bewegungen des Handgriffs werden wunderbar stabilisiert und die nicht gelockten Achsen weich nachgeführt. Ein Beispielvideo findest du ganz am Ende dieses Tests.
Es gibt in der Verbindung mit der App auch einen Intelli-Trace-Modus. Dabei kann ein bestimmtes Motiv, z. B. eine Person im Bild, anvisiert werden und wird nach anschließendem Starten der Videoaufzeichnung automatisch im Bild behalten. Ich hatte beim Test allerdings nicht den Eindruck, dass dieser Modus irgendeine Funktion zeigt. Bei einem handgeführten Gimbal halte ich eine solche Funktion aber auch nicht für wichtig, die Funktion kennt man sonst eher von Drohnenkameras, bei denen sie natürlich auch viel Sinn macht.
Einsatz als Motor-Stativkopf
Richtig spannend finde ich die diversen vollautomatischen Aufnahmemodi, die die App in Verbindung mit dem Vilta-M-Gimbal bietet. Dabei sollte der Gimbal dann sinnvollerweise auf einem Stativ (mindestens auf einem Tisch-Stativ) montiert sein. Das einfachste Beispiel sind Kamerafahrten bei laufender Videoaufnahme. Dabei kannst du mehrere Positionen festlegen, mindestens also eine Anfangs- und eine Endposition, die der Gimbal nach dem Drücken der Start-Taste dann automatisch innerhalb der vorgegebenen Zeit anfährt. Die Positionen gibst du einfach vor, indem du das Smartphone im Gimbal von Hand oder mit der Joystick-Taste am Gimbal in die gewünschte Position drehst und dann die Position mit einem Druck auf den Bildschirm in der Liste der anzufahrenden Positionen speicherst. So kannst du z. B. eine Kamerafahrt von oben links schräg nach unten rechts und dann noch einmal vertikal nach oben durchführen (das wären dann z. B. nur drei Positionen, du kannst aber viele weitere hinzufügen). Vorher stellst du noch ein, wie "smooth" die Positionen angefahren werden sollen, also eher "eckig" oder in sanften Kurven. Und zum Schluss stellst du noch die Zeitdauer ein, die du filmen willst. Wenn du dann auf Start drückst, startet die Aufnahme und der Gimbal fährt mit dem eingespannten Smartphone schön langsam und gleichmäßig alle gespeicherten Positionen ab. So kannst du dann z. B. vollautomatisch 360-Grad-Schwenks machen und dabei auch die Richtung nach oben oder unten ändern. Was allerdings nicht geht, ist, dass du dabei zoomst. Wenn du nur FullHD-Videos und keine 4K-Videos aufnimmst, wäre das ja grundsätzlich möglich und die Apple-Foto-App und diverse andere Apps können das ja auch, nicht aber die FV Share App. Das wäre nochmal eine sinnvolle Erweiterung für ein späteres Update.
Motion-Timelapse
Super cool finde ich die Kamera-Fahrt in Kombination mit Zeitraffer-Aufnahmen, die du mit der App und dem Gimbal ebenfalls machen kannst. Spätestens das ist ja eine Sache, die ohne solche Hilfsmittel nicht gelingt, denn die Kamerabewegung muss dabei super gleichmäßig erfolgen. Auch hier gilt wieder: Der Gimbal muss sicher auf einem Stativ befestigt sein. Die Technik ist im Grunde genau die Gleiche wie zuvor bei den normalen Videos beschrieben, nur dass du zusätzlich das Intervall einstellen musst, in dem die App ein Foto aufnimmt. Also z. B. ein Bild pro Sekunde und die Zeitdauer, die insgesamt für das Video gefilmt werden soll. Du bekommst dann angezeigt, wie lang das mit 30 Bilder/s gespeicherte Video im Endergebnis wird. Also z. B. 10 Minuten lang alle 1 Sekunde ein Foto ergibt 20 Sekunden Zeitraffervideo. Dann "Start" gedrückt und los geht's. Ganz, ganz langsam fährt dabei der Kopf die vorgegebenen Positionen ab, im einfachsten Fall also einen gewissen Radius, und die App nimmt dabei laufend Fotos auf und fügt diese direkt zu einem fertigen Video zusammen. In dem Video bewegt sich dann alles ganz schnell und dabei verändert sich auch noch ganz langsam der Bildausschnitt. Das Ergebnis ist praktisch perfekt und liegt auf Wunsch sogar als 4K-Video vor. Ohne Gebastel, ohne Nachbearbeitung. Und das Ganze mit deinem Smartphone und einem 149-Euro-Gimal. So quasi als Dreingabe zur Stabilisierung bei handgeführten Aufnahmen. Wer hätte das gedacht? Ein Beispielvideo findest du am Ende dieses Tests.
Beispielvideo Motion-Timelapse
Panorama-Automatik
Eine weitere Funktion sind automatische Panorama-Aufnahmen bestehend aus 3 x 3 Einzelaufnahmen oder 3 x 5 Einzelaufnahmen. Dabei dreht der Kopf ebenfalls das Smartphone automatisch in die richtigen Positionen, macht die Aufnahmen und die App rechnet die Einzelaufnahmen danach automatisch zu einem Panorama zusammen. Auch dieses Feature haben wir ausprobiert. Anders als bei den automatischen Videos und Zeitrafferaufnahmen sehen wir bei der Panoramaautomatik jedoch keinerlei praktischen Nutzen, der über ein Schwenkpanorama hinausgeht, das heute ja jedes Smartphone anfertigen kann. Das Hauptproblem dabei ist, dass das Smartphone ausschließlich quer im Gimbal hängt. Du hast also per se schon einmal einen geringeren vertikalen Bildwinkel, als wenn du das Smartphone bei einem Schwenkpanorama hochkant hältst. Dies gleicht die App dann durch die drei Aufnahmen übereinander zwar aus, aber viel mehr Bildwinkel kommt dabei dann nicht heraus. Zudem bekommst du durch die Einzelaufnahmen zwangsläufig Stitching-Probleme, wenn sich bewegte Objekte im Bild befinden und bei unseren Tests bekam die App auch die Belichtung überhaupt nicht hin, d. h. alle Panoramen, die ich gemacht haben, waren überbelichtet und in den hellen Bereichen ausgefressen. Ein Schwenkpanorama ohne Gimbal wird in den meisten Fällen deutlich besser werden. Und zudem sogar deutlich höher auflösend. Die Panoramafotos, die sich mit der FV Share App erstellen lassen, sind (egal, welchen Modus du verwendest) jeweils nur maximal rund vier Megapixel groß. Das ist eines Panoramafotos unwürdig und den Aufwand nicht Wert (normale, per Schwenkpanorama erzeugten Panorama-Fotos haben beispielsweise beim iPhone 6 Plus eine stattliche Größe von bis zu 60 Megapixel). So bleibt die Panorama-Funktion ein reines "Datenblatt-Feature" – sieht im Datenblatt oder Prospekt gut aus, funktioniert aber in der Praxis nicht wirklich und bringt keinen Mehrwert.
Alle Aufnahmen, die mit der App gemacht wurden, egal ob Videos, Zeitraffervideos oder (Panorama-)Fotos, landen standardmäßig im speziellen Speicherbereich der App. Von dort aus können sie direkt geteilt werden (daher wahrscheinlich der Name "FV Share"). Alternativ können die Dateien aber auch ganz einfach in den Foto-Stream des Smartphones kopiert werden. Danach stehen die Fotos und Videos dann ganz normal zur Verfügung, so als hättest du die Aufnahmen mit der Kamera-App gemacht. Dabei können auch mehrere Fotos oder Videos gleichzeitig markiert und übertragen werden oder auch alle auf einmal. Allerdings werden Fotos und Videos auf getrennten Registerkarten sortiert, so dass du, wenn du z. B. ein Foto und ein Video kopieren willst, das in zwei getrennten Vorgängen machen musst. Und du musst daran denken, dass du die Fotos und Videos nach dem Kopieren am besten in der FV Share App löscht, sonst verbrauchen sie unnötig doppelten Speicherplatz auf deinem Smartphone (einen Verschieben-Vorgang gibt es leider nicht).
Gelegentlich blendet die App übrigens für Sekundenbruchteile recht klein dargestellte Warnmeldungen ein. Diese besagen beispielsweise, dass der Kopf nicht ganz horizontal montiert ist (eigentlich nicht schlimm und beim Stativbetrieb aufgrund der schrägen Unterkante eher häufig der Fall) oder dass die Kamera nicht ganz korrekt ausbalanciert ist (auch nicht schlimm, aber natürlich ein guter Hinweis). Leider erscheinen die Warnhinweise so kurz, dass man diese bestenfalls unter "Laborbedinungen", sprich am Schreibtisch, halbwegs lesen kann. Bei hellem Umgebungslicht sieht man nur kurz einen Hinweis ein- und aus-sliden und fragt sich "Was wollte mir die App da gerade sagen?".
Fazit
Der Freevision Vilta-M erreicht Hardware-seitig nicht ganz die Perfektion und Raffinesse wie die bauähnliche Version für GoPro-Actioncams. Die Bedienung über die Hardware-Tasten ist nicht unbedingt eingängig, aber über die Smartphone-App lässt sich alles prima bedienen (derzeit mit der Einschränkung, dass die Android-App auf unserem Huawei Mate 10 Testgerät nicht stabil lief). Das eingesetzte Smartphone lässt sich einfach justieren und die Stabilisierung funktioniert extrem gut. Dazu bietet der Vilta-M unter seinen diversen Funktionen zwei wirklich coole Zusatzfeatures, wenn du ihn auf einem Stativ montierst: Er kann als motorischer Videokopf dienen und vollautomatisch zuvor eingestellte Positionen anfahren und dabei automatisch ein Video beliebiger vorgegebener Länge drehen. Und das Ganze funktioniert auch als Zeitraffer-Video mit ultralangsamem Schwenk – und in beiden Fällen auch in 4K/UHD-Auflösung. Das ist wirklich sehr geil! Und dafür ist der Preis von 149 Euro ungewöhnlich günstig.
Beispielvideo Nutzung als Schwebestativ
Vorteile
- durchdachtes Design
- gute Verarbeitungsqualität
- Bedienung des Smartphones vom Gimbal aus
- automatische Kamerafahrten mittels Smartphone-App
- automatische Zeitrafferaufnahmen mit Kameraschwenks
Nachteile
- griffgünstige Pistolentaste nicht als Auslöser nutzbar
- teilweise wenig eingängige Bedienung (z. B. Modus-Umschaltung)
- Panoramaautomatik durch sehr kleine Bildgröße unbrauchbar