Dennoch geht der Trend weiterhin zu immer mehr Megapixeln und das ist teilweise auch OK so. Zum einen werden die Bildsensoren selbst immer besser, zum anderen aber auch die Elektronik. Insbesondere die Bildprozessoren werden immer besser und leistungsfähiger. Nicht wenige Smartphones und auch bereits erste Drohnen und Actioncams haben heute beispielsweise 48-Megapixel-Sensoren. Damit kann man tolle Sachen machen. Dazu gehören allerdings weniger 48-Megapixel-Fotos oder 8K-Videos. Diese sehen eher gruselig aus, wenn man sich das auf Pixelebene anschaut. Aber daraus lassen sich teilweise atemberaubend gute 12-Megapixel-Fotos oder eben 4K-Videos machen und halt allerlei andere tolle Sachen, weil man einfach eine Menge "Reserve" gegenüber der tatsächlich benötigten Anzahl an Pixeln hat.
Bei GoPro sind wir noch nicht bei 48 Megapixeln (wer weiß, was eine kommende GoPro Hero11 bringt). Die 20 Megapixel einer Hero9 oder die 23 Megapixel einer Hero10 gehen mehr als in Ordnung. Mit den 23 Megapixeln der Hero10 in Verbindung mit dem neuen GP2-Prozessor lassen sich tolle Sachen anstellen, z. B. eine 45-Grad- oder gar 360-Grad-Horizontverriegelung. Diese etwas sperrige Übersetzung von "Horizon Lock" besagt, dass bei Videos – gesteuert durch den kamerainternen Gyrosensor und den Prozessor – der Horizont immer gerade bleibt. Egal wie stark das Segelboot in den Wellen wackelt, egal wie stark sich das Motorrad in die Kurve legt – das Video bleibt gerade. Solche Videos können wirklich spektakulär gut aussehen. Und sie kommen heute direkt aus der Kamera ohne jegliche externe Weiterverarbeitung. Mit einer 360-Grad-Horizontverriegelung bleibt die Kamera sogar bei Überschlägen richtig ausgerichtet. GoPro hat da nette Beispiel-Videoschnipsel von einem Schrauben-fliegenden Flugzeug oder von einem 360-Grad-Flip von einem Skateboard. Bei meinen Anwendungen sind es eher Kenterungen von Jollen, deren Fotos und Videos immer sehr spannend anzusehen sind, insbesondere auch die Unterwasseraufnahmen vom Durchkentern.
Ohne das Max Lens Mod schafft die GoPro Hero10 einen Horizontausgleich bis 45 Grad, dies dann bis zu einer Videoauflösung von 4K mit 16:9-Seitenverhältnis. Um dies zu erreichen, stellt man die Einstellung für "Objektiv" auf "Linear + Horizontsperre". Dies entzerrt das Bild (rechnet den Fischaugeneffekt raus) und sorgt dafür, dass das Video bis 45 Grad Neigung der Kamera gerade bleibt. Bei darüber hinausgehender Schrägstellung wird das Bild sanft mitgeführt. Für viele Anwendungen ist das völlig ausreichend. Segelsport sollte sich beispielsweise sicher im Bereich bis 45 Grad bewegen, Kenterungen oder andere Extremsituationen einmal ausgenommen.
Je nach eingestellter Stärke der Bildstabilisierung (Aus, Standard, Hoch, Boost) wird der effektiv verwendete Bildausschnitt immer kleiner. Theoretisch liefert die Hero10 zwar immer noch 4K-Videos ab, praktisch wird die Bildqualität aber zunehmend schlechter, je stärker man die Bildstabilisierung wählt. Die Bildinformationen in den Videos nehmen ab, Scharfzeichnungsartefakte dafür zu. Eine Kombination aus Objektiv "Linear" und Bildstabilisierung Hoch oder Boost überzeugt uns nicht wirklich. Das ist eher "Fake-4K-Video". Da kann mal lieber gleich auf 2,7K-Video heruntergehen. Das ist "ehrlicher".
Ein andere Problem der zuvor genannten Einstellungen ist, dass mit dem Bildausschnitt auch der effektive Bildwinkel immer kleiner wird. Um beim Segel-Beispiel zu bleiben: Es kann damit zunehmend schwierig werden, den Segler auf dem Boot noch ganz mit auf dem Bild zu haben, insbesondere, wenn er sich weit aus dem Boot herauslehnt ("ausreitet"). Mit den Füßen unter dem Ausreitgurt kann es dann häufiger passieren, dass der Kopf nicht mehr im Bild ist – was natürlich maximal blöd ist.
In dem Fall schlägt die Stunde des Max Lens Mod. Dieses schafft noch einmal deutlich mehr Weitwinkel und wenn man sonst alle Einstellungen so lässt, wie sie waren, aber einfach den Weitwinkelkonverter vorsetzt, dann hat man locker wieder ein sehr weites Sichtfeld. Noch viel weiter sogar als sonst in der Wide-Stellung. Nur leider funktioniert die Sache so noch nicht ganz, jedenfalls nicht mit eingeschalteter Bildstabilisierung, weil diese in Verbindung mit dem Weitwinkelkonverter dann dazu führt, dass je nach Kamerabewegung die Bildecken abgeschattet werden, also schwarz erscheinen, was keine ansehnlichen Videos gibt.
GoPro sieht es vor, nach der Montage des Max Lens Mods dieses Zubehör auch in den Einstellungen der Kamera anzumelden. Automatisch erkennen tun die Kamera das nicht. Es gibt keinen Kontakt oder Sensor, der der Kamera sagt "Jetzt ist ein Max Lens Mod angebaut". Das muss man manuell machen. Dazu gibt es im Hauptmenübildschirm rechts unten eine Schaltfläche mit einem Symbol für den Max Lens Mod. Aktiviert man diese Einstellung, ist alles ganz einfach. Die Kamera "weiß" dann, dass ein Max Lens Mod montiert ist und bietet entsprechend nur noch passende Aufnahmeeinstellungen an.
Die maximale Videoauflösung wird dann auf 2,7K festgelegt. Das ist eine ehrliche Lösung. Mehr geht faktisch sowieso nicht bei dem kleinen noch vorhandenen Bildkreis. Effektiv ist das aber kein Nachteil gegenüber den "Fake-4K-Videos" (siehe oben). Wählen kann man dann noch das Seitenverhältnis von 4:3 oder 16:9 . Bei 4:3 bekommt man ein knapp 5,5 Megapixel großes Video. Bei 16:9 bleiben noch 4,1 Megapixel im Video übrig. Die Bildqualität ist wirklich gut und gefällt uns effektiv besser als die "ausgereizte" Bildbearbeitung bei den 4K-Videos ohne Konverter mit starker Bildstabilisierung und Horizontsperre. Die Bildstabilisierung kann man in diesem Modus nur noch zwischen "Max Hypersmooth Standard" (also einem besonderen Modus speziell für das Max Lens Mod) oder "Aus" wählen. Wenn man die Stabilisierung eingeschaltet hat, kann man noch die Horizontalsperre auf ein oder aus stellen. Und als Bildwinkel kann man zwischen "Weit 16 mm" und "Max Superview 14 mm" wählen. Beides ist kein riesiger Unterschied. Anders als beim normalen "Superview", das ein etwas unnatürlich breitgezogenes Bild liefert, kann man die Einstellung Max Superview bedenkenlos verwenden. Diese Einstellungen würden wir sogar ausdrücklich empfehlen, denn sie nutzt die meisten Pixel des Sensors aus und liefert zusammen mit dem hochwertigen Weitwinkelkonverter eine wirklich sehr gute Bildqualität. Wem das aber doch einen Tick zu weitwinklig ist, kann auch bedenkenlos die Einstellung "Weit 16 mm" verwenden.
Die Horizontstabilisierung gibt es mit dem Weitwinkelkonverter quasi gratis, d. h. sie kostet keine weitere Qualität. Und sie wirkt nicht nur bis 45 Grad, sondern volle 360 Grad! Das ist schon faszinierend zu beobachten: Man kann die Kamera einmal komplett um die Objektivachse drehen und das Bild bleibt stehen, als würde die Kamera quasi auf einem Stativ stehen. Oder besser gesagt auf einem elektromechanischen Gimbal, der die Kamera laufend gerade ausrichtet. Um bei unserem Segel-Beispiel zu bleiben: Jetzt darf das Boot ruhig mal kentern und sogar durchkentern – das Video bleibt horizontal ausgerichtet. Eine Seglerin hat das für uns in einer Regattapause einmal demonstriert und ihren Open Skiff für unsere Testaufnahmen auf die Seite gelegt (siehe Fotos im Slider).
Zurück nochmal zum nun größeren Bildwinkel. Tatsächlich "entspannt" das Max Lens Mod die Lage nun deutlich. Der Bildwinkel mit Max Lens Mod entspricht in der Einstellung Wide 16 mm ziemlich genau der Einstellung Wide ohne Konverter und mit komplett ausgeschalteter Bildstabilisierung – was jedoch meist nicht der Fall ist. In der Praxis bekommt man also mehr Weitwinkel. Mit dem weiten Bildwinkel haben wir nun deutlich höhere Chancen, die Segler auf den kleinen Jollen komplett im Bild zu haben. Nur noch sehr selten hatten wir die Situation, dass die Bildstabilisierung in Kombination mit extremem Ausreiten dazu führte, dass der Kopf des Seglers nicht ganz mit drauf ist. Hier würde wahrscheinlich eine leicht veränderte Kameraposition noch eine kleine Verbesserung bringen.
Kurz zum Preis: Zum Zeitpunkt dieses Tests kostet das Max Lens Mod bei GoPro im Shop 99 Euro. Andere Händler, die den Weitwinkelkonverter vorrätig haben, rufen nahezu den gleichen Preis auf. Die GoPro Hero10 kostet aktuell (Stand Anfang September 2022) im GoPro-Shop 399 Euro. Darin enthalten ist eine 32GB-SanDisk-Speicherkarte (oder gegen 20 Euro Aufpreis sogar 64 GB) sowie 1 Jahr "GoPro Abo". Letzteres kann bei Bedarf vor Ablauf gekündigt werden, sodass dann keine Folgekosten anfallen. Im Handel wird die Hero10 ohne Abo etwas teurer verkauft.
Fazit
Der Max Lens Mod Weitwinkelkonverter ist eine wertvolle Option für alle, die bei einer GoPro Hero9 oder Hero10 Actioncam die Horizontsperre nutzen wollen. In Verbindung mit dem Max Lens Mod werden nicht nur statt maximal 45 Grad volle 360 Grad ausgeglichen, es wird auch der volle Original-Bildwinkel "Wide" wieder hergestellt und steht selbst mit eingeschalteter Stabilisierung voll zur Verfügung. Dass man dann "nur" noch 2,7K-Videos bekommt, spielt keine Rolle, denn diese sehen besser aus als stark stabilisierte 4K-Videos ohne Max Lens Mod. Die Max Super View Einstellung liefert zudem nochmals eine Extraportion Weitwinkel mehr. Das Max Lens Mod ist definitiv eine der interessantesten Zubehör-Komponenten für die GoPro Hero9 sowie Hero10 und den Preis von 99 Euro wert.
Vorteile
- Sehr gute optische Qualität.
- Erweitert den Bildwinkel deutlich.
- Ermöglicht 360-Grad-Horizontsperre.
- Wasserdicht bis 5 Meter.
Nachteile
- Reduzierte Videoauflösung nötig (max. 2,7K)