Wenn du weiblich bist und um die Jahrtausendwende herum geboren wurdest, gehörst du genau zur Kernzielgruppe, die sich der Hersteller Vecnos für sein erstes Produkt vorstellt. Wenn nicht, darfst du trotzdem weiterlesen. Die Kamera ist nämlich trotzdem sehr interessant.
Die derzeit hauptsächlich angedachte Anwendung finden wir allerdings zu kurz gedacht: Die Kamera soll laut Vecnos Marketing-Abteilung nicht weniger als das Selfie neu erfinden. Konkret stellt man sich das so vor, dass mit der schlanken, stiftförmigen Vecnos Iqui Kamera (der Hersteller schreibt das in Versalien, also IQUI) aus der Hand ein Standbild aufgenommen wird. Dieses wird dann an die IquiSpin-App (auch hier eigentlich Großbuchstaben: IQUISPIN) übertragen und dort mit wenigen Klicks mit Effekten versehen und in ein 720x720-Pixel-Video umgewandelt, in dem dann automatisch der Bildausschnitt aus dem 360-Grad-Foto verschoben wird. Das Ergebnis ist also ein ausschließlich quadratisches Video, in dem Herzchen oder Seifenblasen oder Quadrate in bunten Farben herumfliegen, während sich der Bildausschnitt automatisch dynamisch verändert. Dieses Video kann dann aufgrund der kleinen Dateigröße direkt aus der Iquispin-App bequem in allen gängigen sozialen Kanälen geteilt werden, die auf dem jeweiligen Smartphone installiert sind, also Facebook, Instagram, TikTok usw. Eine Interaktion, also die manuelle Auswahl des gewünschten Bildausschnittes, ist in diesen fertigen Videos natürlich nicht mehr möglich. Ich muss gestehen, das haut mich jetzt nicht so vom Hocker. Aber ich bin ja auch nicht Teil der Zielgruppe.
Super interessant finde ich die Kamera trotzdem, denn sie kann deutlich mehr als das, was die App daraus macht. Die Kamera hat statt den üblichen zwei gegenüberliegenden Objektiven (mit jeweils einem Bildsensor) insgesamt vier Kameramodule eingebaut. Drei sind kreisförmig rund um die Achse des "Stifts" angeordnet. Das vierte guckt nach oben. Die vier Einzelbilder der Kameras werden dann innerhalb der App zu einem 16,5 Megapixel auflösenden Panorama-Foto zusammengebaut. Dadurch, dass man von jedem Kameramodul nur einen kleineren Ausschnitt nutzen muss und die extremen Randbereiche, bei denen die Qualität stark abfällt, nicht benötigt, kann die Qualität des Fotos insgesamt besser und vor allem gleichmäßiger sein.
Videoaufnahmen beherrscht die Vecnos Iqui übrigens ebenfalls. Auch diese werden als vier Einzelvideos an die Smartphone-App übertragen und dort zu einem 360-Grad-Video mit 3840x1920 Pixel mit 30 Bildern pro Sekunde zusammengebaut. Die Bitrate soll dabei 45 MBit/s betragen. Das ist für diese Videoauflösung ziemlich wenig, wie gut die Qualität dabei ist, wird man sehen. Der Ton wird übrigens nur in Mono aufgezeichnet. Eine ausgefeilte 3D-Sound-Technik, wie sie andere 360-Grad-Kameras mittlerweile nutzen, gibt es bei der Vecnos Iqui also nicht. Hier stehen halt Fotos klar im Vordergrund.
Die Übertragung zur App läuft übrigens über WLAN. Bluetooth wird ebenfalls benötigt und dient vor allem dazu, die WLAN-Verbindung bei Bedarf automatisch aufzubauen. Die Kamera belichtet immer automatisch. Ausschließlich automatisch erfolgen auch der Weißabgleich, die Lichtempfindlichkeit (ISO-Zahl) und die Belichtungszeit. Die Blende beträgt fix F2,5. Eine Belichtungskorrektur oder sonstige Einstellmöglichkeiten gibt es nicht. Gespeichert wird im internen, 14,4 GByte großen Flash-Speicher. Das reicht für bis zu 1.500 Fotos oder maximal insgesamt 30 Minuten Video. Die Länge eines einzelnen Videos ist dabei auf 30 Sekunden beschränkt. Die kleine Kamera wiegt nur 60 Gramm, ist 139 mm lang und im Bereich der Objektive nicht mal 20 mm dick, der Griffbereich hat sogar nur 16 mm Durchmesser. Das fest eingebaute 720mAh-Akku soll laut Presseinformation für nur ca. 100 Fotos oder insgesamt 30 Minuten Video reichen (was eigentlich nicht ganz zusammenpasst).
Die Vecnos Iquispin App ist seit Ende August kostenlos in den Appstores von iOS und Android erhältlich und funktioniert mit den Bildern praktisch aller 360-Grad-Panoramakameras, sofern diese als JPEG equirektangular im 2:1-Seitenverhältnis vorliegen. In Kürze wird die neue Version folgen, die direkt die Vecnos-Iqui-Kamera einbindet. Die App bietet 14 vorgegebene Bewegungsmuster innerhalb des Panorama-Fotos und 14 verschiedene Effekte.
Die heute offiziell vorgestellte Vecnos-Iqui-Kamera wird am 1. Oktober auf den Markt kommen und in Deutschland offenbar nur bei Amazon erhältlich sein. Die unverbindliche Preisempfehlung beträgt 329 Euro. In den USA, China, Großbritannien, Frankreich und Japan wird ebenfalls Amazon der Vertriebspartner sein (dann amazon.com) Im Lieferumfang enthalten sind eine schützende Weichtasche, ein Ständer, ein USB-Kabel und ein USB-Adapter. Eine Transportkassette im Pop-out-Design mit Aufladefunktion wird ab November 2020 für
89 Euro (unverbindliche Preisempfehlung) erhältlich sein.
Nachfolgend noch das Produkt-Launch-Video und die Original-Pressemitteilung.