Zunächst vielleicht die Frage: "Wozu braucht man das?" beziehungsweise "Was war der Gedanke, der zu der Entwicklung führte?". Oft besteht ja der Wunsch, nicht nur den gefahrenen oder geflogenen Weg zu filmen, sondern auch das Drumherum, insbesondere auch den Fahrer/Piloten oder Athleten, der das Gefährt steuert. Dazu braucht man normalerweise zwei oder mehr Kameras, deren Videos dann später im Videoschnittprogramm zusammengeschnitten werden. So lässt sich bei der Bearbeitung jederzeit die Perspektive wechseln, so wie ja auch in fast allen professionellen Filmen eine Handlung aus mehreren Richtungen gezeigt wird. Dadurch kommt zum einen noch mehr Leben ins Video, zum anderen wird oft so erst die Situation für den Zuschauer überhaupt verständlich. Beispielsweise will ein Mountainbike-Fahrer nicht nur die gefahrene Strecke zeigen – so spannend ist die ja oft auch nicht. Er will auch sich selbst auf dem Rad zeigen, dies aber auch nicht die ganze Zeit. Ein "richtiges" Action-Video mit "Darsteller" braucht mindestens diese beiden Perspektiven, zwischen denen dann später im Schnittprogramm umgeschaltet wird.
Die Kodak Pixpro SP360 wird in der Lage sein, die ganze Szene in einem einzigen Videostream aufzunehmen. Bewegtbilder wohlgemerkt, nicht Standbilder wie es zum Beispiel die Ricoh Theta Panoramakamera macht. Im Gegensatz zu der Theta (oder der Panono Ball-Kamera) nimmt die Kodak allerdings keine "vollsphärischen" Panoramen auf, sondern im Grunde nur die obere Hälfte plus einen kleineren Teil darunter (der vertikale Bildwinkel soll etwa 120 Grad betragen). Es wird also alles aufgenommen, was rund um die Kamera herum vor sich geht, sowie alles oberhalb der Kamera (aber nicht direkt unterhalb der Kamera). Würde man sie über Kopf montieren, beispielsweise an einer Zimmerdecke, dann würde von dort aus der gesamte Raum erfasst werden. Das machen Überwachungskameras ja auch, aber diese erfassen zur Zeit normalerweise nur einen Bildausschnitt und müssen gedreht und geschwenkt werden, um einen Bereich abzufahren. Die Kodak Pixpro SL360 erfasst die komplette Szene gleichzeitig. Allerdings gibt es tatsächlich (vom schwedischen Netzwerkkamera-Spezialisten Axis) schon mehrere verschiedene professionelle fest installierbare Überwachungskameras (Netzwerkkameras), die genauso arbeiten. Grundsätzlich neu ist also nicht das Prinzip, sondern neu ist die Anwendung in einem tragbaren Gerät. An dem Thema der tragbaren 360°-Kameras sind mittlerweile auch andere dran. Wir berichteten beispielsweise bereits über das Croudfunding-Projekt "Centr Camera" aus San Francisco, dessen Ergebnis eine Rundum-Videokamera sein sollte. Das Projekt sammelte allerdings nur rund zwei Drittel der erforderlichen Finanzierungssumme ein, war also nicht erfolgreich. Fairerweise will ich noch erwähnen, dass es unter anderem für die Blogger-Kameras von Sony ("Bloggie"-Serie) einen 360°-Aufsatz gibt, der über einen kegelförmigen Spiegel ein 360°-Bild auf das Objektiv projiziert. Die Sony-Kamera macht daraus dann ein 360°-Video.
Die Kodak Pixpro SP360 wird aber wohl die erste "richtige" mobile 360°-Videokamera sein, die man kaufen kann. Entwickelt und gefertigt wird diese, wie JK Imaging berichtete, von der Firma Asia Optical aus Taiwan (mit mehreren Werken in China), mit 35.000 Mitarbeitern einem der größten Auftragsfertiger und Entwickler von optischen Geräten und Baugruppen weltweit. Asia Optical entwickelt und fertigt beispielsweise Objektive und komplette Kameramodule für Digitalkameras und Smartphones, aber auch optische Linsen für DVD-Spieler oder Geräte für die Leiterplattenfertigung. Know-how dürfte dort als mehr als reichlich vorhanden sein. Zusammen mit dem Kodak Lizenznehmern JK Imaging wird daraus nun ein verkaufsfähiges Produkt.
Statt mit mehreren Einzelkameras (wie Panono Ball Camera oder der geplanten Centr Camera), deren Bild elektronisch zusammengesetzt wird oder mit einem Kegelspiegel (wie der Zusatz zur Sony Bloggie), arbeitet die Kodak Pixpro 360 mit einem extremen Fisheye-Objektiv, dass die gesamte Rundumsicht direkt auf den Bildsensor projiziert (so arbeiten auch die Netzwerkkameras von Axis). Im Gegensatz zu den Überwachungskameras, die an der Decke hängen und praktisch eine Halbkugel (180° bzw. 90° vertikal, 360° horizontal) als Aufnahmewinkel abdecken, nimmt die Pixpro 360, wie eingangs erwähnt, auch noch einen Bereich über die horizontalen 90 Grad hinaus auf (also 240° bzw. 120° vertikal, 360° horizontal) auf. Nur so sind Videos möglich, bei denen sich das Leben vor, neben und hinter der Kamera abspielt. Den Blick nach oben oder unten wird man hingegen oft gar nicht brauchen, dort ist der Himmel oder der Boden, je nachdem wie herum man die Kamera montiert.
Das aufgezeichnete Video ist zunächst einmal ein kreisrundes Bild, das zwar lustig aussieht, mit dem man so aber noch nicht viel anfangen kann. Eine App bzw. ein Viewer-Programm muss die Sphäre zu einer planen Darstellung umrechnen. Dann kann man entweder wieder nur einen frei wählbaren Ausschnitt zur Zeit betrachten, also ähnlich wie bei einer motorisch schwenkbaren Überwachungskamera, nur dass hier nicht die Kamera schwenkt, sondern der Bildausschnitt rein elektronisch vom Betrachter gewählt wird. Alternativ betrachtet man mehrere Ausschnitte gleichzeitig oder zwei ganz breite Streifen untereinander, so dass man das ganze Bewegbildpanorama auf einen Blick sieht (siehe Screenshots von der App). Solcherlei Videos lassen sich natürlich nicht in klassischen Größen wie "FullHD" oder "720p" festlegen. Wie die Bildqualität und die Auflösung sein wird, müssen wir sehen, wenn ein Testgerät vorliegt. Solche Videos lassen sich (bislang) auch nicht mit handelsüblichen Videoschnitt-Programmen bearbeiten oder auf YouTube hochzuladen oder auf Facebook zu teilen. Man braucht immer Spezialsoftware zum Schneiden und zur Wiedergabe. Sicherlich wird das die größte Herausforderung bei dem Projekt sein: Eine Infrastruktur und Software bereitzustellen, die man gerne benutzt und die Qualitativ mit etablierten Lösungen mithalten kann. Das Ganze wohlgemerkt für Videos, nicht für Standbilder (was ungleich einfacher wäre). Auf jeden Fall ist die Pixpro SP360 ein sehr interessantes Projekt, das Kodak bzw. JK Imaging sicherlich viel Aufmerksamkeit einbringen wird.