Zuerst ein kurzer Ausflug noch zum Hintergrund für diejenigen, die nicht ganz so tief in dem Thema stecken. DJI ist ja hauptsächlich von seinen Koptern bekannt. Diese fotografieren und filmen meistens und damit die das schön können, muss ihre Kamera in einem so genannten Gimbal aufgehängt sein. Zwei oder drei Elektromotoren und eine entsprechende Steuerung sorgen dafür, dass die Kamera immer schön waagerecht hängt und man kann die Richtung der Kamera natürlich auch sanft nachführen bzw. steuern. DJI hat durch diese Anwendung jahrelange Erfahrung in der Entwicklung eigener Gimbal-Technik. Diese nutzt der Hersteller seit längerem auch bei der Herstellung von großen, professionellen Gimbals, in die normale Systemkameras eingesetzt werden. Diese Gimbals der DJI Ronin Serie haben einen Griff oder werden mit mehreren Griffen gehalten und haben mit Koptern im Grunde gar nichts zu tun.
Dann hat sich DJI durch die Kopter auch immer mehr mit dem Thema "Kamera" an sich beschäftigt und daraus entstanden dann, quasi als Zweitverwertung, handgehaltene Gimbals mit Kamera als Set. DJI hat sozusagen die Kamera von seinen Koptern genommen (die bei besseren Koptern inklusive Gimbal abnehmbar und austauschbar sind) und dafür einen Akku-Griff entwickelt, der auch gleich die Bedienelemente zur Steuerung der Kamera und des Gimbals enthält. Setzt man die Kamera auf den Griff, hat man eine kompakte, stabilisierte Kamera wie aus einem Guss. Diese Geräte hießen Osmo. Es gab verschiedene Versionen, auch Kameras mit Zoom. Sie werden nicht mehr gebaut, sind aber bei einzelnen Händlern noch für ca. 600 Euro erhältlich. Innerhalb der Osmo-Baureihe hat DJI auch Gimbals für Smartphones im Angebot ("Osmo Mobile", ursprünglich auch als vom Griff abnehmbares Modul), wie man sie von vielen anderen Herstellern (Feyutech, Freevison, Zhiyun, Rollei usw.) auch kennt – im Grunde nichts Besonderes, aber halt von einer bekannten Marke.
Mit dem Osmo Pocket geht DJI jetzt im Grunde noch einen Schritt weiter bei der Integration. Die Kamera bzw. der Gimbal ist nicht mehr abnehmbar, sondern fest verbaut und das ganze System extrem miniaturisiert. Im Griff sitzt ein kleiner (winziger) Monitor, der als Sucher und mittels Touchscreen zur komfortablen Bedienung des Systems dient. Der Osmo Mobile ist also, anders als andere Lösungen, eine komplette, autarke Kamera. Andere Lösungen erforderten immer ein Smartphone, das seitlich an den Akku-Griff montiert wurde und als Monitor diente. Ohne dies sah man ja nicht, was man eigentlich aufnimmt.
Etwas besser klappt das mit handgehaltenen Gimbals für Actioncams. Seit die Actioncams auch Monitore haben, sieht man zumindest einigermaßen, was man filmt. Dies setzt aber voraus, dass die Kamera von dir weg filmt, was durchaus nicht der Fall sein muss. Bei Selfies beispielsweise siehst du wieder gar nichts und bist doch aufs Smartphone angewiesen.
Mit der komplett integrierten Lösung mit Monitor im Griff hat DJI im Grunde also eine ganz neue Kameraklasse geschaffen! Man könnte auch sagen: eine neue Form der Actioncam. Denn um Action-Aufnahmen geht es ja meistens. Jedenfalls um Aufnahmen, bei denen sich nicht nur das Motiv, sondern auch der Kameramann (oder die Kamerafrau) bewegt. Natürlich haben auch Smartphones mittlerweile eine mehr oder weniger gute Stabilisierung, diese reicht aber überwiegend eher nur dazu aus, im Stand für eine ruhige Kamera zu sorgen. Einen Schritt weiter gehen aktuelle Actioncams. GoPro hatte die Stabilisierung ja zur wesentlichen Weiterentwicklung bei der aktuellen Baureihe GoPro Hero 7 erklärt. Die funktioniert offensichtlich auch gut, setzt aber voraus, dass du die Kamera doch ziemlich gut in Richtung Motiv ausrichtest. Bei richtig großen Schwankungen reicht der Stabilisierungsbereich nicht aus. Insbesondere bei Rotationsbewegungen stößt eine elektronische Stabilisierung schnell an ihre Grenzen.
Nicht so ein Gimbal, dem es erstmal ziemlich egal ist, wie stark sich die Welt um ihn herum bewegt (oder deine Hand). Die Kamera guckt immer weitgehend in die gleiche Richtung bzw. wird sanft nachgeführt. Für verschiedene Anwendungsfälle gibt es mehrere verschiedene Betriebsmodi, die man einstellen kann. Ergänzt wird das Ganze durch intelligente Aufnahmemodi, die in der Form auch nur mit einer motorisch gelagerten, integrierten Kamera funktionieren: Die Kamera im Osmo Pocket kann automatisch ein markiertes Hauptmotiv verfolgen, eine 180-Grad-Panoramaaufnahme machen oder eine Ultraweitwinkelaufnahme aus drei mal drei Einzelbildern. Zusammengesetzt wird das automatisch im Smartphone. Dazu gibt es die neue App DJI Mimo, die quasi auf dem Smartphone das Gegenstück zum Osmo Pocket ist.
Interessant ist übrigens auch, dass das Smartphone nicht wie sonst bei üblicherweise per WLAN und ggf. noch Bluetooth mit dem Osmo Pocket verbunden wird. Stattdessen befinden sich Adapterstecker im Lieferumfang, die – eingesteckt in der Mitte des Griffs des Osmo Pockets – eine direkte Verbindung zum Smartphone herstellen (das gibt es sehr ähnlich schon bei der Ansteckkamera DxO One). Stecker für iPhones (Lightning-Buchse) oder Android-Smartphones mit USB-C-Buchse sind im Lieferumfang enthalten. Andere gibt es auch nicht. Wer ein Smartphone mit Micro-USB-Buchse hat, kann dieses nicht direkt an den Osmo Pocket anstecken. Optional gibt es aber ein Funkmodul mit WLAN und Bluetooth, mit dem der Osmo Pocket dann auch drahtlos kommunizieren und ferngesteuerte Aufnahmen machen kann. Überhaupt wird es reichlich Zubehör für den Osmo Pocket geben, beispielsweise zusätzliche ansteckbare Bedienelemente, einen Verlängerungs-Stab, eine Helm-Halterung, ein wasserdichtes Gehäuse, ein ND-Filter-Set sowie einen Mikrofon-Adapter. Zu dem Grundpreis von 359 Euro für den Osmo Pocket kann man also ohne weiteres nochmal hundert bis zweihundert Euro für Zubehör ausgeben, wenn man möchte. Die Preise für das Zubehör sind noch nicht vollständig bekannt. Das Funkmodul und das "Bedienrädchen"-Modul kosten je 59 Euro – nicht gerade günstig. Eine Halterung für GoPro-kompatible Befestigungslösungen kostet 25 Euro.
Noch kurz etwas zu den technischen Daten: Als Bildsensor kommt (natürlich) ein 1/2,3"-Zoll-Typ zum Einsatz, also die Größe, wie sie in Smartphones oder Actioncams verwendet wird. Das Objektiv hat 80 Grad Bildwinkel; das entspricht etwa 26 Millimeter Kleinbildbrennweite. Es ist also nicht so weitwinkelig wie eine Actioncam, sondern eher wie ein Smartphone. Die Lichtstärke beträgt F2,0. Die Kamera zeichnet 4K-Videos mit flüssigen 60 fps auf, die Datenrate beträgt beachtliche 100 MBit/s. Fotos werden mit 12 Megapixeln im 4:3-Format gespeichert. Die Akkulaufzeit bei Videos soll bis zu 140 Minuten betragen. Alles in allem also recht normale Werte. An Bildqualität darf man in etwa das erwarten, was aktuelle Smartphones und Actioncams so liefern. Nur eben mit Gimbal-Bildstabilisierung.