Kamera-Apps auf Android gibt es unzählige, denn fast jeder Hersteller verpasst seinen Smartphones und Tablets eine eigene Kamera-Software und dazu gibt es noch zahlreiche weitere im Google Play Store. Auch Google seine Kamera-App die es bisher nur für Smartphones und Tablets von Nexus gab, ab sofort kostenlos für alle Android-Geräte ab 4.4 (KitKat)an. Somit wird diese App eine interessante Alternative zu der auf deinem Smartphone vorinstallierten Kamera-App, die trotzdem parallel weiter benutzt werden kann.
Die Oberfläche der Google Kamera ist sehr minimalistisch gehalten und keine Bedienelemente verdecken das Blickfeld. Daher kann der maximal mögliche Ausschnitt des Displays als Sucher verwendet werden und eine praktische schwarze Schaltfläche am unteren Ende des Displays dient als Auslöser. Weiterhin können die Bilder auch direkt über die Lautstärketaste gemacht werden. Das Menü mit allen Optionen der Kamera kannst du von links hereinwischen. Somit hast du die entsprechenden einzelnen Buttons mit fester Position auf dem Bildschirm. Nach dem Start der Kamera-App gibt es drei Punkte für die Android-Einstellungen. Hier kannst du zwischen der Front- und der Hauptkamera wechseln und den Blitz, den Live-HDR+-Modus und das Rastergitter ein- oder ausschalten. Durch den HDR+-Modus wird dir bereits vor der Aufnahme angezeigt, wie das fertige Bild aussieht. Wird der Effekt ein- und ausgeschaltet, ist deutlich ein Unterschied erkennbar. Beim Antippen auf dem Sucher ist es auch möglich den manuellen Fokus zu verwenden. Von rechts gewischt landest du dann direkt in der Galerie, aus der deine Bilder direkt auf verschiedenen Sozialnetzwerken geteilt werden können.
Zu den weiteren Funktionen der neuen Google-App zählt der Fokuseffekt, der auch unter der englischen Bezeichnung Lens Blur bekannt ist. Damit kann der Fokuspunkt verändert und künstliche Tiefenunschärfe geschaffen werden. Er kann aber nur genutzt werden, wenn die entsprechende Funktion vor der Aufnahme eingestellt wird. Um damit ein Foto aufzunehmen, muss das Handy langsam und möglichst gleichmäßig nach oben bewegt und dabei das Objekt immer in der Mitte gehalten werden. Ein Icon im Sucher zeigt die Bewegungsrichtung an und weist auch darauf hin, wenn du zu schnell warst. Dabei nimmt die Kamera nicht ein, sondern gleich mehrere Bilder auf und rechnet diese zu einem Bild zusammen. Aufgrund der daraus gewonnenen Tiefeninformationen errechnet Google Kamera das Bild mit Hintergrundinformationen. Die Intensität der dabei entstehenden Unschärfe kann nachträglich mit einem Schieberegler reguliert werden. Auf diese Weise kannst du Fotos machen, die ansonsten nur mit Offenblende und bei Smartphones kaum möglich sind. Es handelt sich aber beim Fokuseffekt mehr um eine interessante Spielerei als um eine fotografisch gute Funktion, denn die schon geringe Bildqualität eines Smartphones verschlechtert sich durch den Effekt weiter.
Weitere Aufnahmemodi der App sind Photo Sphere und eine Panorama-Funktion. Mit Photo Sphere kannst du räumliche Kugelpanoramen erstellen. Hilfspunkte führen dich durch die komplette Aufnahme, sodass am Ende die Synchronisation aller Einzelbilder zum 3D-Globe gelingt. Im Panorama Modus lassen sich dagegen typische bis maximal 360º rotierende Breitbildaufnahmen erstellen. Vertikale Panorama-Aufnahmen sind aber neben der rein horizontalen Aufnahme mit der Google Kamera auch möglich. Neben Bildern können selbstverständlich auch Videos aufgenommen werden. Ein nettes Details ist, dass die App bzw. eine kreisende Pfeile im Sucher dich warnt, wenn das Gerät beim Videoaufnehmen senkrecht gehalten wird. Somit könnten die berüchtigten Hochkant-Videos der Vergangenheit angehören. Alle Videos genauso wie alle Fotos können auch mit den Standorten markiert werden, an denen sie aufgenommen wurden. Damit können andere Apps, wie Facebook oder Google+, auf diese Informationen direkt zugreifen.
Leider kommen die normalen Kamera-Funktionen in der Google App deutlich zu kurz. Einblendbare Gitterlinien sind nur 1 Pixel breit. Damit stören sie nicht, sind aber bei Sonnenlicht auch praktisch nicht zu sehen. Ganz daneben gegangen ist die Belichtungskorrektur: Die Aufnahme lässt sich nur in Stufen von einem Blendenwert (+2, +1, 0, -1, -2) korrigieren. Das ist viel zu Grob! Üblich ist eine Korrektur in 1/2 Blendenstufen oder 1/3 Blendenstufen und das braucht man auch. Bei unserem Testgerät, einem Sony Xperia Z1 bot die Google Kamera App bei normalen Fotos die volle Auflösung von 20 Megapixel an, dazu noch 8 und 3 Megapixel. Alle aber iom 4:3-Format und keine 16:9-Formate. Die separate zweistufige Auslösetaste, die dieses Smartphone hat, wurde nur unzureichend unterstützt. Im normalen Kameramodus vermissten wir eigentlich nur den optischen und/oder akustischen Feedback zur erfolgten Scharfstellung. Im Video-Modus verhillt sich die Taste etwas eigenwillig: Die Aufnahme lief nur solange der Auslöser gedrückt gehalten wurde (was durchaus zweckmäßig sein kann). In den Spezial-Modi (Panorame etc.) flog man mit einem Druck auf die Hardware-Taste aber aus der App und landete in der Sony-App.
Google Kamera ist also eine recht gute App mit leichter Bedienbarkeit, die Fotos in der maximalen vom Gerätetyp abhängigen Auflösung schießen kann. Sie hat interessante Funktionen, wie Photo Sphere und Fokuseffekt. Zudem variiert der Funktionsumfang von Gerät zu Gerät und grundsätzliche Funktionen, wie der Selbstauslöser und die Serienbildfunktion, fehlen ganz. Noch dazu sind fotografische Grundlagen wie die Belichtungskorrektur unzureichend implementiert. Hier muss Google noch nachbessern. So wie man Google kennt, sind aber regelmäßige Updates der App mit neuen Features und Fehlerkorrekturen zu erwarten.