Hinter der Marke Insta360 steckt das 2014 gegründete Unternehmen Shenzhen Arashi Vision Co. mit Sitz in Shenzhen, China. Es gibt wohl keinen anderen Hersteller, der ein derart breites Sortiment an Panorama-Kameras bietet, vom winzigen Einsteigermodell fürs schmale Budget bis zu Achtäugigen-Profi-Boliden für 17.000 Euro. Mit dem One R System verließ Insta360 Anfang 2020 ein Stück weit sein vertrautes Terrain der reinrassigen 360-Grad-Kameras, das sogar den Markennamen mit prägt, und wagt sich in den Bereich der normalen "einäugigen" Actioncams vor, ohne dabei das 360-Grad-Thema zu vernachlässigen.
Gut zwei Jahre später hat Insta360 das One R System weiterentwickelt zur Insta360 One RS. Eine der neuen Komponenten ist ein neues Basismodul, auch Kern (oder englisch "Core") genannt mit mehr Rechenleistung das nun eine interne Stabilisierung ermöglicht. Bislang wurde die Stabilisierung immer nachträglich entweder in der Smartphone-App oder in der Desktop-App (Windows oder Mac) gemacht. Neu ist auch ein neues Weitwinkel-Kameramodul mit nun 48 statt vormals 12 Megapixeln. Weitere neue Komponenten sind ein Akku mit etwas höherer Kapazität als bisher beim R-System und ein neuer Halterahmen. Letzter wurde erforderlich, weil der neue Akku auch etwas höher ist als der alte. Genau diese Kombination haben wir getestet.
Unverändert geblieben sind das zweiäugige 360-Grad-Kameramodul (Dual Lens Mod) und das 1-Zoll-Kameramodul (1-Inch-Mod). Zu beiden haben wir bereits mit dem früheren One R Kern sehr ausführliche Tests veröffentlich (siehe weiterführende Links). Die Kombination mit dem 1-Zoll-Kameramodul ist dabei mein absoluter Favorit unter den Actioncams, weil dessen Bildqualität alles bisher dagewesene in den Schatten stellt. Unserer Meinung nach kann man für das Ergebnis die zeitaufwändige nachträgliche Stabilisierung am PC durchaus in Kauf nehmen. Natürlich gibt es aber Anwendungsfälle, wo die stabilisierten Aufnahmen sofort zur Verfügung stehen sollen oder wo es nicht auf das letzte Quäntchen Qualität ankommt. Mit dem neuen RS-Kern soll auch mit dem 1-Zoll-Modul eine interne Stabilisierung möglich sein, allerdings nicht in der höchsten Auflösung. Wie gut das funktioniert, werde ich in einem separaten Test untersuchen.
Das bisherige 4K-Weitwinkel-Modul mit dem alten Kern haben wir nie getestet. Zu unspannend erschien uns diese Kombination. Eine 12-Megapixel-Kamera ohne interne Stabilisierung – das braucht quasi kein Mensch bzw. das was schon Anfang 2020 einfach nicht mehr Stand der Technik. Einziger Vorteil dabei war das modulare System. Die "Perlen" in diesem System waren bislang aber eindeutig das Dual-Lens-360-Grad-Kameramodul (das eine ähnliche Leistungsfähigkeit hat wie die reine 360-Grad-Kamera Insta360 X2) und vor allem das sensationelle 1-Inch-Modul. Kein Wunder also, dass Insta360 gerade dem 4K-Weitwinkelmodul nun ein Update verpasst hat in Form des neuen 4K-Boost-Moduls, um das es in diesem Test geht.
Die Insta360 One RS ist (wie schon die One R) eine modulare Kamera bestehend aus Akku-Basis (das rote Ding unten), dem Aufzeichnungs- und Bedienmodul "Core" (mit Touchscreen, Speicherkartensteckplatz und zwei Bedientasten) plus jeweils eines der Kameramodule. Das alles ist erfreulicherweise auch nach dem Upgrade von "R" zu "RS" weiterhin untereinander kompatibel. D. h. man kann den neuen RS-Kern mit einem bestehenden 1-Inch-Mod oder Dual-Lens-Mod verwenden und profitiert dann von der internen Stabilisierung.
Die Konfiguration aus Akku-Basis, Aufzeichnungs-/Bedien-Modul und Kameramodul wird zusammengesteckt und rastet in der Akkubasis ein. Alle elektrischen Kontakte sind dabei mit Dichtungen versehen. Anschließend muss die Kombination immer in den Halterahmen eingesetzt werden, andernfalls ist das Ganze nicht uneingeschränkt robust und auch nicht garantiert wasserdicht (bis 5 Meter). Und in diesem Punkt hat Insta360 beim Upgrade von R zu RS leider einiges Durcheinander angerichtet. Um dem höheren Stromverbrauch des leistungsfähigeren Basismoduls gerecht zu werden, hat der Hersteller einen stärkeren Akku dazu gepackt mit 21 % mehr Kapazität. Dieser ist leider etwas höher als der alte Akku und passt dadurch nun nicht mehr in den alten Halterahmen und natürlich auch nicht in die alten Unterwassergehäuse, die es zum Erreichen größerer Tauchtiefen (bis 60 Meter) gibt.
Die bisherigen Unterwassergehäuse lassen sich allerdings mit dem alten Akku und dem neuen Kern verwenden. Insta360 empfiehlt eine solche Kombination (neuen Kern mit altem Akku) nicht, es funktioniert aber (allerdings natürlich bei kürzerer Akku-Laufzeit). Bei rauen Wasserbedingungen, wie z. B. beim Surfen, wo hoher Wasserdruck durch hohe Geschwindigkeiten auftreten können, soll die One RS übrigens mit Tauchgehäuse verwendet werden. Bei normalen (Jollen-)Kenterungen haben wir bislang keine schlechte Erfahrung nur mit dem Halterahmen gemacht.
Um den alten Halterahmen ist es eigentlich nicht schade, denn der neue Halterahmen ist auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung: Die Kamera wird nun seitlich eingesetzt und entnommen statt nach hinten. Das ist entscheidend, wenn man das 1-Inch-Kameramodul verwendet. Bei dem musste man bislang immer etwas mühsam erst den Linsenschutz abschrauben um die Kamera anschließend nach hinten aus dem Rahmen entnehmen. Beim neuen Halterahmen kann der Linsenschutz des 1-Inch-Moduls aufgeschraubt bleiben, da er bei der Entnahme nicht stört. Auf den ersten Blick bzw. auch beim Anfassen wirkt der neue Halterahmen nicht so super robust, wie man es sonst von Actioncams gewohnt ist. Der Öffnungsmechanismus ist erstaunlich bequem und ohne die gewohnte "Gewaltanwendung" zu öffnen. Er ist aber clever konstruiert, denn man muss mit zwei Fingern gleichzeitig von beiden Seiten drücken, damit er öffnet. Das sollte Sicherheit genug sein.
Der Halterahmen hat seitlich eine Aussparung, um an die Abdeckung mit der Ladebuchse und der Speicherkarte zu gelangen. Das ist im Prinzip gut gedacht, praktisch aber so fummelig, dass es einfacher ist, die Kamera aus dem Rahmen zu entnehmen. Die offene Abdeckung der Insta360 One RS hat übrigens kein Scharnier, sondern hängt an einem Sicherungsfaden. Möchte man die Klappe ganz abnehmen, um z. B. in trockenen Umgebungen die USB-C-Buchse zum Aufladen oder zum Auslesen der Daten zugänglich zu haben, muss man sich trauen, das Sicherungsbändchen einfach "rauszureißen". Es kann dann später wieder in das Loch eingesteckt werden und hält dann auch noch (wie oft man das machen kann, haben wir nicht ausprobiert).
Das Kameramodul kann an das Basismodul übrigens auf zwei Weisen angebracht werden. Das Objektiv kann nach vorne oder hinten zeigen. Oder anders gesagt: Der Bildschirm kann nach vorne oder nach hinten ausgerichtet sein. Man kann die Kamera also "normal" benutzen oder im Selfie-Modus – je nachdem, was in der aktuellen Situation praktischer ist. Dabei ist die Kamera mit dem 4K-Boost-Modul auch bei nach vorne gerichtetem Monitor voll Touch-bedienbar. Das hat die Insta360 One RS anderen Actioncams mit Front-Display voraus, deren vorderer Monitor nicht Touch-fähig ist.
Interessant ist das Wärmeableitungskonzept: Innen am Halterahmen sind Wärmeleiter-Pads angebracht, die die Wärme aus dem Kameragehäuse auf den Kunststoff des Rahmens übertragen sollen. Auch pfiffig: Für das Mikrofon auf der Oberseite des Kameragehäuses ist sogar ein Schaumstoff-Windschutz im Rahmengehäuse eingebaut. Zusätzlich hat der RS-Kern ein drittes Mikrofon eingebaut, mit dem Windgeräusche elektronisch herausgefiltert werden können. Klebehalterungen liefert Insta360 übrigens nicht mit, nur den Halterahmen. Dieser ist sozusagen GoPro-kompatibel, d. h. der Insta360-Halterahmen lässt sich an allen Halterungen befestigen, die für GoPro-Kameras angeboten werden, aber auch Insta360 hat diverse Halterungen im Zubehörprogramm.
Einen klaren Minuspunkt beim Gehäuse des neuen 48-Megapixel-Moduls wollen wir nicht verschweigen: Das Frontglas ist fest in das Kunststoffgehäuse eingelassen, kann also nicht ohne weiteres selbst ausgetauscht werden. Zudem ist es an drei von vier Seiten nur von einem millimeterdünnen Kunststoff umgeben, der auch vom Halterahmen nicht weiter geschützt wird (die Kamerafront steht als einziges Element aus dem Halterahmen ein Stück hervor). Das wirkt, ehrlich gesagt, alles nicht besonders robust. So hat unser Testgerät auch schon eine deutliche Macke an der oberen rechten Ecke. Für den wirklich harten Einsatz scheint zumindest das 4K-Boost-Kameramodul nicht gemacht zu sein.
Die Bedienung der Insta360 One RS erfolgt über zwei Tasten und den Touchscreen. Die Tasten sind klar mit dem Symbol für Ein/Aus und einem roten Kreis für Aufnahme (Auslöser) gekennzeichnet. Ein langer Druck auf die Aufnahmetaste schaltet die Kamera ebenfalls ein, startet aber nicht auch die Aufnahme (dazu ist ein zweiter Tastendruck erforderlich). Das Bildschirm-Menü besteht in der obersten Ebene aus drei Seiten ausschließlich mit Symbolen, die teilweise alles andere als selbsterklärend sind. Besser ist die darunterliegende Menüebene: dort steht neben jedem Symbol auch ein erklärender Text.
Neu seit der neuen RS sind zwei rote Pfeile rechts vom Monitor, einer mit Q, der andere mit einem Lupensymbol beschriftet. Um diese auszuwählen, muss man knapp links davon auf den Touch-Screen tippen, nicht auf die Symbole selbst. Das Q steht für Quick-Menü. Dahinter verbirgt sich ein Bedienkonzept, bei dem sich häufig benutzte Kombinationen an Aufnahmeeinstellungen auf insgesamt fünf Speicherplätzen hinterlegen lassen. So stehen diese normalerweise mit zwei Touch-Berührungen blitzschnell zur Verfügung.
Die Lupe steht für das Digitalzoom, das angesichts des 48-Megapixel-Sensors bei Videoaufnahmen auch halbwegs Sinn ergeben könnte. Die Zoomstufe wird als Kleinbild-äquivalente Brennweite angezeigt, z. B. 21 mm für Weitwinkel bis maximal 50 mm für "Tele", eigentlich Normalbrennweite. Bei Fotoaufnahmen werden stattdessen die verschiedenen Objektivcharakteristiken angeboten: Ultra Wide, Wide, Linear und Narrow. Beim Video-Zoom bleibt das Bild von 17 bis 20 mm im Fisheye-Modus und springt dann ab 21 mm automatisch in den Linear-Modus, d. h. die Fisheye-Verzeichnung wird dann automatisch auskorrigiert.
Dass solche winzigen Touchscreens neuerdings in Mode kommen, ist schon interessant. Diese 1,4 Zoll kleinen Displays findet man typischerweise in Smart Watches, aber auch die kleine DJI Osmo Pocket Gimbal-Kamera und deren Nachfolger und diverse äquivalente Produkte anderer Hersteller haben einen solchen winzigen Touchscreen verbaut. Actioncams hingegen haben üblicherweise größere Touchscreens, die einen Großteil der Geräterückseite ausfüllen, was der Bedienung und der Darstellung von Symbolen und Sucherbild natürlich sehr förderlich ist. Bei dem modularen Konzept der Insta360 One RS war aber kein Platz für einen größeren Monitor, das muss man fairerweise zugeben. So bleibt der kleine Monitor aber eine Notlösung und so richtig geschmeidig finden wir die Bedienung insgesamt nicht.
Die Ausstattung der Insta360 One RS ist ansonsten sehr umfangreich. Eine Sprachsteuerung ist vorhanden. Eine Fernsteuerung ist entweder über eine optionale GPS-Fernbedienung von Insta360 oder über eine Apple Watch möglich. Externe Mikrofone lassen sich über einen optionalen Adapter anschließen oder man verwendet Apple AirPods als Mikrofon. WiFi ist natürlich eingebaut und dient zur Fernsteuerung mit Livebild vom Smartphone aus und zur Übertragung der Fotos und Videos ans Smartphone – bei der RS sogar mit doppelter Geschwindigkeit gegenüber der älteren One R.
Webcam-Funktion In Verbindung mit dem 4K-Weitwinkel-Kameramodul kann die Insta360 One RS auch als Webcam dienen. Hierzu muss sie einfach im Einstellungs-Menü auf "USB-Webcam" gestellt werden. Schließt man sie dann an einen Rechner an, meldet sie sich dort als Webcam Insta360 One RS und kann direkt in Anwendungen wie Zoom, Teams usw. verwendet werden – sogar inklusive Mikrofon. Einstellungen, wie beispielsweise das Zoom, lassen sich dabei nicht verwenden. Beim Bildwinkel kann man entweder ein brutal weitwinkliges Fisheye-Kamerabild oder ein gezoomtes Bild wählen. Ersteres kann nützlich sein, wenn man mit vielen Leuten gleichzeitig vor der Kamera sitzt und alle Personen zeigen will. Für einzelne Personen ist das Bild allerdings extrem unvorteilhaft, da kommt dann die Zoom-Darstellung zum Einsatz. Die Bildqualität als Webcam ist exzellent.