Das Testgerät der kleinen Feiyu Pocket 2S Gimbal-Kamera fristete bei uns in der Redaktion schon länger ein recht trostloses Dasein. Erste Versuche damit waren eher ernüchternd, sodass der erste Impuls war: Müssen wir dazu wirklich einen Test zu schreiben? Dann machte das Gerät kürzlich eine unerwartete Karriere: Der Sohn des digitalEyes.de-Herausgebers wollte mit vier Klassenkameraden für den Deutschunterricht als Hausaufgabe ein Video drehen. Gesamtlaufzeit ca. 3 Minuten. Qualitätsanspruch eher niedrig. Vor allem sollte das Ganze möglichst schnell und unkompliziert gehen.
Eine erste Überlegung, wie üblich, auf Stativ, Stativkopf und "richtige Kamera" zurückzugreifen wurde schnell verworfen. Das andere Extrem, ein Smartphone normal aus der Hand gehalten, sollte es aber auch nicht werden. Solche Wackel-Videos würden sicherlich die anderen Gruppen der Klasse abliefern. Eine Nummer besser durfte es gerne sein. Der Blick schweifte im Büro umher. Zwei Smartphone-Gimbals, einer noch original verpackt, ein anderer wieder zur Testgeräte-Rücksendung verpackt, ok, das wäre eine Lösung. Und dann lag da noch die Feiyu Pocket 2S – warum nicht die wenigstens dafür mal benutzen.
Die Gimbal-Kamera ist schnell erklärt und einmal konfiguriert muss man sich beim Filmen nicht mehr viele Gedanken um die Technik machen. Das geht viel einfacher und schneller als beispielsweise ein Smartphone in einem Gimbal, bei dem nämlich zunächst die passende App hätte installiert werden müssen, was womöglich am nicht mehr ganz taufrischen Betriebssystems des älteren iPhones des Sohns gescheitert wäre. Zudem ist das Einsetzen und Ausbalancieren des Smartphones in einem Gimbal auch nicht immer so der Hit. Natürlich ergibt ein Smartphone-Gimbal Sinn, wenn man das Video dann im Smartphone haben und weiterverarbeiten will. Das war hier aber nicht die Vorgabe, sondern das Video sollte anschließend sowieso am PC weiterverarbeitet werden, also geradezu ein ideales Einsatzfeld für eine Gimbal-Kamera wie die FeiyuTech Feiyu Pocket 2S. Konfiguriert und erklärt war die Kamera in weniger als 5 Minuten, das passte.
Am nächsten Schultag machte sich die Gruppe nachmittags dann an den Videodreh. Das Videobild, das dabei herauskam, der "Filmische Look" der handgeführten Kamera, benutzt von Kindern, die so ein Ding das erste Mal in der Hand hatten, war beeindruckend. Also doch nicht so schlecht das Ding – und der Grund nun doch noch einen späten Test dazu zu schreiben. Zum Glück ist das Feiyu Pocket 2S nach wie vor erhältlich und weiterhin das Flaggschiff unter den Gimbal-Kameras aus dem Hause FeiyuTech.
Kurz zur Einordnung und warum wir uns die Feiyu Pocket 2S überhaupt als Testgerät besorgt hatten (man hat ja auch genug andere Sachen zu tun): Gimbal-Kameras gibt es ja einige und wir hatten auch schon das eine oder andere Gerät im Test. Genau dieses Feiyu Pocket 2S hat aber ein interessantes Alleinstellungsmerkmal. Der Kamerakopf inklusive Gimbal lässt sich vom Bedienteil abkoppeln und – verbunden mit einem 90 Zentimeter langem Kabel – alleine irgendwo montieren. Das hört sich interessant an. Das musste ausprobiert werden. Unter der Bezeichnung Feiyu Pocket 2 gibt es das Gerät auch als "normale Version". Bei dem ist der Kamerakopf, wie sonst bei den kleinen Gimbal-Kameras, fest am Handgriff montiert. Ansonsten sind beide Geräte technisch absolut identisch, sodass dieser Test in allen anderen Fragen gleichermaßen für Feiyu Pocket 2 und Feiyu Pocket 2S gilt.
Als "Flaggschiff"-Modell zu einem Preis von rund 400 Euro qualifizieren sich beide Geräte, zumindest in der Theorie, durch ihre Leistungswerte. 4K Videoaufnahmen mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde, FullHD sogar bis 120 Bilder/s. Ein F2,0 lichtstarkes Ultraweitwinkelobjektiv mit einem Bildwinkel von 130 Grad, JPEG + DNG für Fotos. Das hört sich erstmal gut an.
Eingefangen wird das Bild von einen 12 Megapixel auflösenden CMOS-Sensor der Größe 1/2,3 Zoll, also ziemlich klein. Wie sich bei näherer Betrachtung herausstellt, liegt quasi da schon der Hase im Pfeffer – insbesondere in Kombination mit dem 130°-Ultraweitwinkel-Objektiv. Wer sich, wie wir zunächst, mit hohen Qualitätsansprüchen mit dem Gerät aufmacht und erwartet, da astreine superscharfe 4K-Videos heraus zu bekommen, der wird vermutlich enttäuscht sein.
Die 4K-Videos, die wir zunächst machten, waren ziemlich unterdurchschnittlich. Die Bitrate bei 4K30-Videos beträgt rund 80 Mbit/s. Das ist bei der Auflösung sicherlich noch vertretbar (üblich sind heute eigentlich eher 100 Mbit und mehr). Noch mehr Qualität geben vermutlich aber weder der kleine Bildsensor noch die interne Foto- und Video-Verarbeitung her. Die Fotos und Videos sind sehr detailarm, selbst in höchster Auflösung sind feine Strukturen, wie eine Holzmaserung, kaum auszumachen, alles wirkt irgendwie "rauschreduziert", glattgebügelt und leicht unscharf.
Bei näherer Untersuchung der verschiedenen Einstellungen zeigte sich, dass das Ultraweitwinkel-Objektiv ein Fisheye-Typ ist, wie es bei Actioncams verwendet wird. Das Bild, das das Objektiv liefert, ist also zunächst einmal extrem tonnenförmig verzerrt. Bei Actioncams muss das sein, weil man durch moderne elektronische Bildstabilisierung wieder viel Bildwinkel einbüßt. Bei einer Gimbal-Kamera wäre das aber eigentlich nicht unbedingt nötig, denn hier erfolgt die Stabilisierung elektromechanisch durch den Gimbal und das Objektiv könnte eigentlich ein normales, unverzerrtes Bild liefern, so wie es beispielsweise bei Drohnen der Fall ist. Der Vorteil davon ist, dass dann nahezu alle Pixel des Bildsensors bildwirksam sein können, was eine gute Voraussetzung für eine gute Bildqualität ist. Nur genau so macht es die Feiyu Pocket 2(S) eben nicht.
Warum sich Feiju-Tech bei der Feiyu Pocket 2 und 2S für ein 130°-Fischeye-Objektiv entschiedenen hat, erschließt sich uns deshalb nicht (zum Vergleich: das Konkurrenzprodukt DJI Pocket 2 hat ein Sichtfeld von 93 Grad). Aus unserer Sicht überwiegen die Nachteile des ultraweiten Sichtfelds in diesem Fall deutlich. Solche Fischeye-Look-Videos will man selten haben (Einstellung "Ultraweit"). Also schaltet man auf "Breite Horizonte" um, nur so bekommt man ein entzerrtes Bild. Hinter dieser schrägen Übersetzung verbirgt sich ein ganz normales, entzerrtes Bild – bei Actioncams heißt das oft "Linear". Dieses kostet bei der Verarbeitung in der Kamera aber gleich wieder eine Menge Auflösung, von dem 12-Megapixel-4:3-Format-Sensor kann nun nur noch ein Teil der Pixel fürs Bild verwendet werden (schätzungsweise nur rund 6 Megapixel) und diese werden so "entzerrt" (also eigentlich "gegenverzerrt"), dass ein Bild mit einem normalen Bildeindruck entsteht. Das Ganze wird dann wieder hochskaliert auf 4K (also 8,3 Megapixel). Dass dabei keinesfalls ein gutes 4K-Video herauskommen kann, ist natürlich völlig klar. Wobei wir ehrlicherweise sagen müssen: Auch die Fisheye-Videos in der Einstellung "Ultraweit" sind nicht prickelnd. Was die Sache nicht besser macht, sondern damit bietet schon das Fisheye-Video keinen gute Ausgangslage für die Entzerrung in der Einstellung "Breite Horizonte". Kurz gesagt: Die Kamera bietet rundum schlechte Voraussetzungen für unverzerrte 4K-Videos.
Nun sind aber 4K-Videos nicht immer das Maß der Dinge. Oftmals sorgen 4K-Videos einfach nur für eine große Datenflut und derart große Videos können bei der Weiterverarbeitung eine Herausforderung sein. Wenn man dann schaut, wo Videos auch heute noch oft wiedergegeben werden, auf kleinen Smartphone-Displays oder Tablet-Computern mit maximal 10 Zoll Bilddiagonale beispielsweise, oder auf FullHD-Videoprojektoren oder auf Fernsehgeräten vor der Schulklasse mit einem Betrachtungsabstand von etlichen Metern, dann muss man ehrlicherweise sagen: Eine ordentliche FullHD-Qualität reicht da völlig aus. Und die macht die Feiyu Pocket 2(S) durchaus.
Die 1080p-Videos sind ziemlich "knackig", d. h. ziemlich scharfgezeichnet. Dafür sind die Videos recht Detailreich. Für FullHD reicht die Auflösung der Kamera also aus. Die Bitrate bei FullHD mit 50 Bilder/s liegt bei knapp 32 Mbit/s, das ist in Ordnung. Die Belichtungssteuerung bzw. Belichtungsnachregelung arbeitet sehr schnell. Bei Tunneldurchfahrten beispielsweise wird das Bild ganz schnell an die Dunkelheit angepasst und danach wieder auf Tageslicht-Helligkeit justiert. Die andere Seite der Medaille ist, dass die Kamera in dunklen Situationen die Szene auch sofort stark aufhellt. Dann wird eine Szene im düsteren Wald eben nicht düster, sondern hell, dafür eher blass in den Farben und leicht verrauscht. Im Pro-Modus kann man dem allerdings mit einer Belichtungskorrektur entgegenwirken.