Seit iOS 8 dürfen mobile Anwendungen auf sämtliche Kamerafunktionen des iPhone zugreifen – der Produktname "ProCamera 8" ist also nicht zufällig gewählt, denn diese (übrigens in Deutschland entwickelte) App tut genau dies. Wenn du die ProCamera-App aufrufst, findest du zunächst einen aufgeräumt wirkenden Sucher vor, der sich den Bildschirmmaßen deines iPhones anpasst, um das gesamte Blickfeld zu nutzen und abzulichten. Alternativ kannst du natürlich auch ein Standard-Seitenverhältnis (4:3, 3:2, 16:9, 1:1 oder 3:1) auswählen. Im Sucher ist (zunächst) mittig ein blaues Quadrat mit einem gelben Kreis innendrin zu sehen. Tippst du auf eine Stelle deines Motivs, wandert das Gebilde dort hin, wodurch sich Fokus und Belichtung neu orientieren. Du kannst die Elemente auch trennen und Fokus und Belichtung unabhängig voneinander einstellen. Das iPhone (in unserem Fall iPhone 6 Plus) rechnet die Veränderungen dann auch in Echtzeit aus – dein Vorschaubild behält also eine stabil hohe, angenehm flüssige fps-Zahl.
Hast du Fokus und Belichtung eingestellt, kannst du mit einem Klick auf AWB den automatischen Weißabgleich deaktivieren, und den Weißpunkt selbst bestimmen: Die auftauchende Skala deckt mit Farbtemperaturen zwischen 2000 und 10000 Kelvin alle Wünsche ab. Begleitend dazu visualisieren Symbole, wofür sich die jeweilige Temperatur eignet. Im Fotosucher werden dir zudem links Belichtungszeit (auch komplett einstellbar) und ISO-Wert angezeigt (im Videosucher nicht). Auch Hilfslinien für die Bildkomposition kannst du über den Live-Sucher legen und natürlich den Drive (Selbstauslöser, Burst, Einzelbild) auswählen.
Der außerdem integrierte HDR-Modus ist in der Grundversion nicht freigeschaltet und muss dazugekauft werden – was sich durchaus lohnt, denn dies ist das Highlight der App. Die HDR-Funktion versucht nämlich nicht (wie andere Apps es häufig tun), dunkle Stellen des Bildes nachträglich aufzuhellen, sondern nimmt tatsächlich drei unterschiedlich belichtete Fotos auf, die du dann sogar verschieden abmischen kannst (z. B. „hell“, „ausgeblichen“ oder „dramatisch“). Die Ergebnisse gelingen in jedem Fall überzeugend – beeindruckend, was aus einer Smartphone-Kamera herausgepresst werden kann.
Stand- wie auch Bewegt-Bild werden bildstabilisiert. Allerdings kannst du beim Filmen (im Gegensatz zum Fotografieren) den Bildstabilisator nicht deaktivieren – er bleibt also die ganze Zeit aktiv, wodurch es bei hastigen Bewegungen zu Bildfehlern kommen kann. Dafür kannst du bei Videos allerdings 120 Bilder pro Sekunde für nette Zeitlupen aufnehmen und direkt auch in Zeitlupen umwandeln.
Die geschossenen Fotos kannst du anschließend in der App-eigenen Galerie wunschgemäß nachbearbeiten. Du kannst hier entweder eine automatische Optimierung anwenden, einen von vielen (wirklich vielen) Kunstfiltern über das Bild legen (einige müssen freigekauft werden) oder manuell Helligkeit, Kontraste, Belichtung, Sättigung, Farbtemperatur, Schärfe und HDR-Filter noch einmal nachregulieren. Gespeichert werden die Fotos anschließend wahlweise als JPEG oder verlustfrei TIFF (was die Standard-Kamera-App nicht kann). Für Videos gibt es derzeit leider keinerlei Nachbearbeitungsfunktionen. Mit 4,99 Euro plus 1,99 Euro für die HDR-Erweiterung und je 0,99 Euro pro zusätzlichen Filter stimmt aber das Preis-Leistungs-Verhältnis der an ambitionierte Anwender gerichteten App.