Garmin, eigentlich eher von Navigationsgeräten bekannt, ist durchaus kein Neuling im Bereich der Actioncams. Seit Jahren schon ist die erste Generation der Garmin-Virb-Actioncams erhältlich, die auf die Namen Virb und Virb Elite hören (siehe ggf. unseren Test vom 10.04.2014). Die erste Virb-Generation zeichnete sich durch drei Besonderheiten aus: Erstens waren sie ohne Schutzgehäuse robust und halbwegs wasserdicht. Zweitens hatten sie einen eingebauten Farbmonitor. Beides war damals wirklich ungewöhnlich. Drittens konntest du bereits bei der ersten Virb-Generation Sensoren über Garmins drahtlose ANT+-Schnittstelle verbinden. Die ersten beiden Besonderheiten waren allerdings nicht perfekt umgesetzt. Der Typ des Monitor, ohne Hintergrundbeleuchtung, sondern Tageslicht-beleuchtet ("transflektiv"), eignet sich offenbar eher für GPS-Geräte, bei denen es nicht auf die Bildqualität ankommt. Und mit der Wasserdichtigkeit war es ohne zusätzliches Schutzgehäuse nicht allzu weit her.
Bei der neuen, zweiten Generation der Virb-Kameras, die auf die Namen Virb X und Virb XE hören, hat Garmin konsequenterweise auf den Farbmonitor ganz verzichtet und ein sehr detailreiches Schwarzweiß-LC-Display eingebaut. Und die Kameras selbst sind jetzt so wasserdicht und robust, dass gar kein zusätzliches Schutzgehäuse mehr nötig ist: Bis 50 Metern Wassertiefe kannst du mit den neuen Garmin-Actioncams tauchen. Die Kameraelektronik ist quasi fest in einem Unterwassergehäuse einbaut. Dessen Frontseite kann geöffnet werden. Dahinter verbergen sich dann die Kameralinse, der Speicherkarten-Steckplatz und die Vertiefung, in die der auswechselbare Akku eingeschoben wird, sowie zusätzlich noch einen Trockenmittelschacht. In den kannst du einen kleinen Plastikhalter mit einem speziell passenden Trockenmittelbeutel einschieben, beides liegt der Kamera bei und kann bei Bedarf als Zubehör nachgekauft werden. Eine Lösung, die zwar Spezialzubehör erfordert, aber wirklich schön und platzsparend gelöst ist. Klein ist die Garmin Virb X/XE allerdings nicht. Vom Volumen her bringt sie es locker auf die gleiche "Verdrängung", die ein GoPro-Schutzgehäuse hat: Die Garmins sind etwas flacher, dafür breiter und etwas tiefer. Und schwerer! Satte 154 Gramm bringt das gute Stück betriebsbereit, aber noch ohne Halterung auf die Waage. Damit hat sich der Einsatz in der Luft unter Quadrokoptern praktisch erledigt. Komplett mit Klebehalterung sind es knapp über 193 Gramm. Ob man das den ganzen Tag auf dem Helm tragen mag? Dafür ist aber alles richtig fett und megarobust. Und wirklich sehr durchdacht. Die Klebeplatte hat einen praktischen Schnellverschluss mit Arretier-Hebel. Und alles, was irgendwie kaputt gehen kann, ist verschraubt und es gibt bezahlbare Ersatzteile dafür auf der Garmin-Website. Sollte dir also wirklich mal die Befestigung am Kameragehäuse abbrechen, dann ist nicht die ganze Kamera kaputt oder ihr Gehäuse. Du musst auch nichts zur Reparatur einschicken, sondern schraubst einfach neue Montagefinger unter die Kamera. Sinnvoller Weise sind die Finger GoPro-kompatibel, d. h. du kannst beim Befestigungszubehör aus den Vollen schöpfen und alles verwenden, was eigentlich für GoPro gebaut wurde (auch z. B. die Sollbruchstellen-Sicherheits-Halterungen von Rollei). Auch prima: Das Gehäuse hat eine Öse für eine Sicherungsleine.
Ausstattung und Bedienung
Von der Ausstattung her lassen Garmin Virb X/XE kaum Wünsche offen. GPS ist direkt eingebaut, dazu ein richtiger Beschleunigungssensor und ein genau messender Neigungssensor. Die geben nicht nur aus "es hat geruckt" oder "die Kamera steht auf dem Kopf, ich muss das Video drehen", sondern registrieren die Beschleunigung in "G" mit Nachkommastelle und die Neigung auf Grad genau. Über externe ANT+ Sensoren können weitere Messwerte wie Herzfrequenz, Tretfrequenz (beim Radfahren) oder Temperatur eingespeist werden. Das Verbinden der ANT+-Sensoren (im Test haben wir einen Herzfrequenz-Sensor ausprobiert) geht übers Menü der Kamera sehr leicht, eigentlich selbsterklärend. Eine weitere Verbindungsmöglichkeit ist Bluetooth 4.0. Darüber können sogar Fahrzeugdiagnosesysteme verbunden und dann Werte wie Motordrehzahl und ähnliches aufgezeichnet werden. Aufgezeichnet meint hier: Direkt in der Kamera parallel zum Video. Sogar Bluetooth-Freisprecheinrichtungen oder Headsets können per Bluetooth gekoppelt werden, sodass z. B. beim Motoradfahren die Sprachkommentare per Helm-Mikrofon aufgenommen werden und nicht nur Wind- und Motorgeräusche. Das ist ein äußerst praxisgerechter Mehrwert, den so derzeit kein anderer Hersteller bietet. Die Tonqualität des eingebauten Mono-Mikrofons ist übrigens durchaus brauchbar.
Die Messdaten der Sensoren werden dann übrigens bei der Wiedergabe in der App angezeigt und können mit Hilfe der kostenlosen Videoverarbeitungs-Software Garmin Virb Edit auch sehr ansehnlich (mit verschiedenen Tachometer-Designs) direkt ins Video eingebaut werden.
Clever gelöst sind auch die außen liegenden Anschlüsse. Neun Goldkontakte und eine Klammerhalterung ermöglichen einen robusten drahtgebundenen Anschluss an die Außenwelt, und das selbst unter rauen Umgebungsbedingungen. Das mitgelieferte USB-Kabel wird dort angeklipst und ist vom gleichen Kaliber wie das Gehäuse: Dick und robust. Da die Kamera keinen normalen USB-Anschluss hat (auch nicht hinter dem zu öffnenden Gehäusedeckel) solltest du das Kabel tunlichst nicht verlieren oder vergessen auf Reisen mitzunehmen (dann könntest du die Kamera nicht laden). An die 9 Goldkontakte können aber auch andere, optional bei Garmin erhältliche Kabel angeschlossen werden, darunter Kabel zur Dauerstromversorgung in Fahrzeugen oder zum Anschluss drahtgebundener Mikrofone. Auch hier muss man sagen: Sehr praxisgerecht und super gelöst! Ohne Zusatzstromversorgung hielt der Akku bei uns im Video-Modus 1080p30 bei ausgeschalteter Bildstabilisierung (aber eingeschaltetem WiFi) knapp 1,5 Stunden durch. Das ist deutlich weniger, als Garmin angibt (2 Stunden). Wenn du aber WiFi abschaltest, kannst du vermutlich die halbe Sunde noch herauskitzeln (nicht getestet).
Über die ANT+-Technik lässt sich die Kamera auch mit einer optionalen Fernsteuerung bedienen. Auch kann eine Kamera der "Chef" sein und andere per ANT+ angekoppelte Garmin VIRB-X- oder XE-Kameras fernsteuern. Bedient wird dann nur die Master-Kamera. Alle anderen machen dasselbe. Eine schöne, einfache Lösung, um bequem mit mehreren Kameras gleichzeitig zu filmen.
Kameratechnisch liest sich die Feature-Liste hingegen deutlich weniger spannend. Auflösungen höher als FullHD (1080p) bieten die Kameras nicht, jedenfalls nicht im üblichen 16:9-Bildseitenverhältnis. Die Virb XE kann das wenigstens mit 60 Bildern/s und ist in der Lage in HD (720p, aber wer will heute noch in HD filmen?) mit bis zu 120 Bildern/s zu filmen. Wenn du das mit 25 oder 30 Bildern/s wiedergibst, sind damit dann moderate Zeitlupen möglich; das kannst du auch direkt schon bei der Aufnahme einstellen. Neben den 16:9-Formaten steht noch ein 4:3-Format zur Verfügung, das den ganzen Sensor nutzt. Heraus kommen dann 1920 x 1440 Bildpunkten, immerhin 2,76 Megapixel (rund 30 % mehr Fläche) bei maximal 30 fps. In diesem Modus gibt es während der Aufnahme kein Livebild auf dem Smartphone. Die etwas preisgünstigere Virb X kann nur die Standard-Geschwindigkeiten (FullHD bis 30 Bilder/s). Nur die Virb XE bietet darüber hinaus die Möglichkeit einer elektronischen Bildstabilisierung während der Aufnahme, die das Video entwackeln soll. Das reduziert den Bildwinkel etwas und leider die Bildqualität erheblich (siehe Abschnitt "Bildqualität"). Zudem lässt sich kaum ein Stabilisierungseffekt ausmachen, der diese Einbußen rechtfertigen könnte.
Fotos haben 12 Megapixel im 4:3-Format. Es gibt auch die Möglichkeit, während der laufenden Videoaufzeichnung den Fotoauslöser zu betätigen (sowohl in der Smartphone-App als auch an der Kamera selbst). Dann allerdings wird nur ein Standbild in der gerade eingestellten Videoauflösung abgespeichert. Das bietet keinen Mehrwert, Standbilder kann man schließlich mit jedem Videobearbeitungsprogramm auch aus einem Video heraus speichern.
Die Bedienung an der Kamera selbst gelingt nach kurzer Eingewöhnung gut. Einschalten mit dem großen Hebel aktiviert die Kamera und es startet nach wenigen Sekunden automatisch die Videoaufzeichnung mit den zuletzt gewählten Einstellungen. Zwei helle, auffällige (per Menüeinstellung abschaltbare) LEDs signalisieren rot blinkend die laufende Aufnahme. Nach dem Zurückstellen des Hebels schaltet die Kamera auch wieder aus. Ein Druck auf den Foto-Auslöser speichert ein Standbild in Videoauflösung. Ein hochauflösendes Foto lässt sich auf die Schnelle so nicht aufnehmen und eine Pause- oder Stopp-Funktion direkt an der Kamera ist bei dieser Bedienweise ebenfalls nicht vorgesehen. Alternativ kannst du die Kamera aber mit einem langen Druck auf die Pfeil-runter/Power-Taste einschalten, dann bleibt sie zunächst im Pause-Modus und filmt nicht gleich los. Nun bewirkt ein Druck auf den Fotoauflösung, dass ein 12- oder 7-Megapixel-Foto aufgenommen wird (je nach Einstellung). Mit dem Videohebel kannst du wiederum die Aufnahme starten und durch Zurückdrehen des Hebels stoppen (dann geht die Kamera wieder auf Pause). In diesem Modus kannst du durch langen Druck auf die Pfeil-hoch/Menü-Taste auch das Menü aufrufen und dann alle Einstellungen direkt an der Kamera vornehmen oder Sensoren mit der Kamera koppeln. Navigiert wird ebenfalls mit den Pfeil-hoch- und Pfeil-runter-Tasten. Eine Ebene nach rechts kommst du mit der Auslöser/OK-Taste, mit der dann auch die Optionen geändert werden. Langes Drücken auf Pfeil-hoch/Menü bringt dich wieder eine Ebene zurück, wo du mit den Pfeil-Tasten dann direkt wieder die nächste Auswahl machen kannst. Das ist sehr angenehm, und du siehst auch jederzeit, welche Einstellung du wie verändert hast. Ganz zurück aus dem Menü (wieder durch lange drücken) siehst du alle Einstellungen auf einen Blick: Welche Foto- und Videoauflösung, ob der Bildstabilisator an ist, ob das eingebaute GPS die Position bestimmt hat oder noch sucht, ob Sensoren gekoppelt sind, und natürlich die Kapazität auf der Speicherkarte für Videos und Fotos. Einwandfrei! Die Bedienung könnten sich andere Hersteller mal abgucken (Sony beispielsweise, dort fliegt man nach jeder Einstellungsänderung wieder ganz aus dem Menü raus).
Auch die Bedienung über die Garmin-Virb-App für Android kann insgesamt überzeugen, allerdings mit Einschränkungen. Das Layout ist übersichtlich, und es gibt sowohl einen Hochformat- als auch einen Querformat-Modus. Die meisten Einstellungen lassen sich auch über die App vornehmen, aber leider nicht alle. Beispielsweise die Kopplung von Sensoren – das geht ausschließlich über das Menü der Kamera selbst. Für die laufende Bedienung sind aber alle Einstellungen da, wenn auch etwas anders strukturiert als in der Kamera selbst. Beispielsweise sucht man das Ein- oder Ausschalten des Bildstabilisators vergeblich im Video-Schnellmenü, wo sonst eigentlich alles ist. Stattdessen findest du diese Einstellungen im Einstellungs-Menü (Werkzeugschlüssel). Bei unserem Testgerät funktionierte diese Umschaltung übrigens nicht, den Bildstabilisator konnten wir nur an der Kamera direkt ein- und ausschalten. Das Verbinden mit der Kamera klappt meistens schnell und problemlos. Allerdings genehmigt sich die App immer etliche Sekunden Bedenkzeit, bis dann die Livebild-Vorschau erscheint. Diese Wartezeit tritt auch immer wieder auf, wenn wir beim Hantieren mit dem Smartphone dessen Ausrichtung gewechselt haben. Die App selbst wechselt zwar blitzschnell vom Hoch- aufs Querformat und zurück, aber danach wartest du jeweils bis zu 15 Sekunden aufs Livebild. Dieselbe Wartezeit hast du nach jeder einzelnen Änderung der Einstellungen. Das nervt! Und auch nach dem Starten der Videoaufnahme ist das Live-Bild erstmal für neun Sekunden eingefroren. Dadurch wirkt das ganze Handling über die App recht zäh. Nebenbei bemerkt entspricht der Bildausschnitt der Vorschau nicht dem Bildausschnitt des späteren Videos. Nach dem Start der Aufzeichnung wird der richtige Bildausschnitt angezeigt. In der Praxis ist das wahrscheinlich nicht so erheblich, das fällt eher unter Laborbedingungen auf.