Hinter der Marke Insta360 steckt das 2014 gegründete Unternehmen Shenzhen Arashi Vision Co. mit Sitz in Shenzhen, China. Wir kannten die Marke hauptsächlich durch die kleine iPhone-Aufsteckkamera namens Nano, die gerade mit der Nano S ein verbessertes Schwestermodell erhielt. Die neue Kamera beherrscht nun auch 4K-Qualität und kommt damit in den Bereich, in dem VR-Videos auch qualitativ Spaß machen. Neben diesen beiden genannten Modellen hat Insta360 noch drei weitere 360-Grad-Panoramakameras im Programm, insgesamt also fünf verschiedene Modelle – wir kennen tatsächlich keinen anderen Anbieter mit einem solch umfangreichen Panoramakamera-Sortiment. Die meisten der Kameras adressieren den unteren/mittleren Consumer-Bereich. An der Spitze davon wiederum steht die Insta360 One, um die es in diesem Test geht. Oberhalb der "One" gibt es dann noch ganz neu die "Pro", die mit bis zu 8K-Auflösung filmt (und mit 8 Kameramodulen!), aber preislich mit 12.000 US-Dollar für normale Verbraucher unerschwinglich ist. Zwischen der "One" und der "Pro" klafft eine riesige Lücke, sowohl preislich als auch von der Leistung her. Es wäre interessant zu sehen, ob der Panoramakamera-Spezialist diese in den nächsten Jahren noch mit interessanten Produkten füllt, denn die Insta360 One hat uns doch im Test viel Spaß gemacht und unsere Erwartungen eigentlich übertroffen.
Besonders faszinierend an der Insta360 One fanden wir die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und dass sich die Kamera in der Praxis wirklich unkompliziert benutzen lässt. Das fängt schon mit der Bauform an. Die One ist zum einen eine Ansteckkamera fürs iPhone (und neuerdings auch für Android-Geräte, dazu später mehr), sie lässt sich aber genauso auch unabhängig betreiben, d. h. zumindest beim Aufnehmen kann sie vom Smartphone entfernt werden, braucht im Grunde nicht einmal eine Drahtlosverbindung. Da sie nur einen einzigen Knopf besitzt und kein Display, sind die Stand-Alone-Möglichkeiten etwas eingeschränkt. Aber aus der Tasche holen, aufs Stativ oder einen Selfie-Stick setzen, Videoaufzeichnung starten oder einen Zeitraffer-Film aufnehmen, das geht allemal.
Schutzhülle und Tischstativ Die Insta360 One wird in einer zylinderförmigen Schutzhülle geliefert, in die die Kamera einfach eingeschoben wird. Zwar ist die Hülle nicht dicht, wie eine Tasche, sodass Fussel und anderes zwischen Hülle und Kamera eindringen können, aber zumindest sind die empfindlichen, vorstehenden Linsen beim Transport gut geschützt. Du kannst die Kamera auch von der anderen Seite auf die Schutzhülle stecken. So wird praktisch ein kurzer Selfie-Stick daraus und deine Hand ist weniger dominant im Bild, als würdest du die Kamera direkt halten. Und zusammen mit der Hülle kannst du die Kamera auch einfach auf einem Tisch oder einer anderen waagerechten Oberfläche aufstellen, sparst dir also ggf. ein Tischstativ.
Die Sache mit dem Anstecken ans Smartphone ist wirklich eine feine Sache. Die Technik hatten wir schon einmal beim Namensvetter, der hochwertigen 1-Zoll-Sensor-Fotokamera "One" der Firma DxO kennen und schätzen gelernt. Es muss nämlich wirklich nur die entsprechende App installiert sein und das iPhone (oder iPad oder neuerdings Android-Device) eingeschaltet und entsperrt sein, dann startet nach dem Anstecken der Kamera automatisch die entsprechende App und die Kombination ist sofort betriebsbereit. Da muss keine WiFi- oder Bluetooth-Verbindung hergestellt werden, sondern es geht einfach los. Dank guter Datenübertragungsrate über die Schnittstelle reagiert die App auch schnell und flüssig und es ist überhaupt kein Problem, auf Videos und Fotos der Kamera zuzugreifen. Wenn man das erlebt, fragt man sich wirklich, warum sich sonst alle Welt mit den mitunter komplizierten und nicht immer schnellen und zuverlässigen WLAN-Verbindungen herumplagt. Ein einfaches Kabel oder ein Stecker tun es auch (interessanterweise sieht das Unternehmen Rylo es bei seiner gleichnamigen Kamera, die wir vor einigen Tagen vorgestellt haben, offenbar auch so).
Eine Verbindungsmöglichkeit per Bluetooth gibt es aber dennoch. Damit kann die Insta360 One beispielsweise ausgelöst werden (Fotoaufnahme oder Video-Start-Stopp), wenn diese auf einem Stativ oder Selfie-Stick montiert ist. Auch grundsätzliche Einstellungen kannst du auf diese Weise vornehmen. Aber es geht natürlich kein Live-View, denn dazu gehen nicht genug Daten über die Bluetooth-Schnittstelle (die maximal für Ton geeignet ist). Und WiFi bzw. WLAN hat die Insta360 One wirklich nicht eingebaut. Wenn du ein Live-Bild haben willst, musst du sie ans Smartphone anstecken. Gerade bei vollsphärischen Panoramakameras ist aber ein Live-Bild gar nicht so wichtig wie sonst bei Kameras mit einem beschränkten Blickwinkel – es wird ja sowieso alles eingefangen. Die Bluetooth-Verbindung läuft übrigens auch nur über einige wenige Meter (auch normal). Bei unseren Testaufnahmen auf dem Lübecker Weihnachtsmarkt am Koberg hatten wir die Kamera in knapp 5 Meter Höhe auf einem Hochstativ. Das schien von der Entfernung schon etwas grenzwertig zu sein. Jedenfalls unterbrauch die Verbindung dabei immer mal wieder, stellte sich aber schnell wieder von selbst her. Das Auslösen klappte und nach der Fotoaufnahme bekommt man ein kleines Vorschaubild der geschossenen Panoramaaufnahme per Bluetooth aufs Handy. Feine Sache! Das verkleinerte Bild reicht auch durchaus für eine Beurteilung der Belichtung und eine Belichtungskorrektur, wie in unserem Fall minus eine Blende, ist schnell eingestellt und die Aufnahme wiederholt. Das Stativ selbst bleibt bei solchen Aufnahmen übrigens praktisch unsichtbar.
Neben normalen Panorama-Fotoaufnahmen und -Videos beherrscht die Insta360 One unter anderem auch Timelapse und Zeitraffer-Aufnahmen. Letztere wiederum lassen sich auch zu sogenannten "Bullet Time"-Videos umwandeln. Das ist ein ganz netter Effekt, zu dem die Kamera in den Highspeed-Aufnahmemodus versetzt wird (120 fps mit verminderter Auflösung). Dann schwingst du die Kamera an einem dünnen Seil (wird sogar mitgeliefert!) oder an einem Selfie-Stick (erfordert mehr Geschick) über dem Kopf um dich herum. Die ideale Geschwindigkeit beträgt dabei ca. eine Umdrehung pro Sekunde. Anschließend kannst du mit der Smartphone-Software aus dem Video eine passende Passage ausschneiden und diese dann als HD-Video in vierfacher Zeitlupe wiedergeben (720p30). Dabei entsteht der Eindruck, die Kamera würde um dich herum rotieren, während du selbst still stehst (was ja beides auch zutrifft). Das allein ist, ehrlich gesagt, noch nicht spannend. Schön und wirklich verblüffend wird der Effekt, wenn sich dabei sonst im Video noch etwas bewegt. Die Beispielaufnahmen auf der Insta360-Website (fliegende Tauben, Rauch oder Konfetti oder ein Bullet-Time-Video, das auf einem schnell fahrenden Motorboot aufgenommen wurde) sind wirklich sehr schön. In der der Praxis braucht man aber erstmal die richtigen Motive dafür. Sich für eine Bullet-Time-Effekt-Aufnahme einfach mal schnell in den Garten zu stellen oder ins Wohnzimmer – das bringt es nicht.
Eine andere nette Funktion ist "FreeCapture". Das ist im Grunde genau das, was bei der GoPro Fuion "Overcapture" heißt: Du erstellst mit dem Smartphone recht intuitiv aus dem Panorama-Video ein normales, flaches Videos, indem du den Bildausschnitt während der Wiedergabe des VR-Videos dynamisch verändert und so sozusagen ein neues Video drehst, das dann kein VR-Video mehr ist, aber aus einem solchen entstanden ist. Du kannst dabei durch Schwenken des Smartphones den Bildausschnitt verändern und mittels "Zoomhebel" auf dem Bildschirm den Zoomfaktor ändern. In dem Modus der Smartphone-App steht auch die sogenannte SmartTrack-Funktion zur Verfügung. Dabei markierst du ein Element im Video, z. B. einen Fahrradfahrer. Und die App passt beim automatischen Bearbeiten den Bildausschnitt dann automatisch so an, dass der Radfahrer im fertigen flachen Video immer zu sehen ist. Solcherlei Editierarbeiten bedingen schon einigen Stromverbrauch – das Smartphone wird gut warm und der Akku leert sich merklich. Aber es ist schon faszinierend, dass sowas alles mobil geht und nicht nur mit einer Desktop-Software.
Generell, muss man sagen, ist die Kamera und der ganze Workflow sehr auf den mobilen Betrieb ausgelegt. Das Hantieren mit der Kamera und die Verwendung der iOS-App am iPhone oder iPad macht wirklich Spaß, geht flott von der Hand und die Ergebnisse sehen auf diesen Geräten auch wirklich sehr gut aus. Dazu trägt bei, dass die Software geschickt verhindert, dass du allzu weit und dauerhaft in die Videos hineinzoomst. Naturgemäß ist die Auflösung selbst bei 4K-Videoaufzeichnung (theoretisch 8,3-Megapixel) oder 24-Megapixel-Fotos beschränkt. Wenn du davon über einen Viewer nur einen kleinen Ausschnitt betrachtest, kommt du leicht an die Grenzen, bei denen das Ergebnis doch nicht mehr ganz so gut aussieht. Das trifft prinzipiell mehr oder weniger für alle Panorama-Kameras zu. Die gesamte mobile Infrastruktur von Insta360 verhindert aber konsequent, dass du die Fotos und Videos "zu groß" anschaust. Du kannst zwar per Zoom-Geste kurz hineinzoomen, aber der Bildausschnitt der Videos bleibt dann nicht in dem gezoomten Zustand, sondern schnappt gleich wieder auf eine "sichere Zoomstufe" zurück, in der alles knackig scharf aussieht. Teilweise geht Insta360 dabei allerdings zu weit. Die von den Benutzern im eigenen Veröffentlichungsdienst geposteten Videos lassen sich nur in Hochformat-Stellung der App anzeigen und nehmen dann nur einen winzigen Teil des Bildschirms ein. Bei den eigenen Videos funktioniert natürlich die Vollbild-Darstellung und das sieht, wie gesagt, dann sowohl auf einem iPhone 6 Plus als auch dem iPad Pro 9,7 Zoll sehr gut aus. Android-Devices habe ich mangels Adapter in diesem Test nicht ausprobiert.
Android-Adapter Insta360 hatte bei der Vorstellung seiner One Kamera auch eine "Android-Version" angekündigt und mittlerweile auch geliefert. Es ist tatsächlich keine eine Version. Um die Kamera mit einem USB Typ-C- oder MicroUSB-Stecker direkt in eine solche Buchse bei einem Android-Smartphone zu stecken, war dem Hersteller die ganze Sache wohl zu wackelig und instabil (ich denke auch, dass das keine gute Idee gewesen wäre). Anders als der Lightning-Connector, der massiv und robust gebaut ist und so fest einrastet, dass problemlos eine Kamera drin stecken kann und sowohl das Smartphone an der Kamera als auch die Kamera am Smartphone baumeln kann, ohne dass man irgendwie das Gefühl hat, da würde gleich etwas abbrechen, sind die vielpoligen USB-Stecker doch eher filigran. Deshalb gibt es von Insta360 zum Betrieb der One Kamera an Android-Geräten Adapter, die wie ein Craddle um das Smartphone herumgreifen und für den Steckkontakt sozusagen die Richtung vorgeben und die ganze Konstruktion ein wenig stabilisieren. Es gibt zwei Versionen des Adapters, einen mit Typ-C-Stecker und einen mit Micro-USB-Stecker. Die Adapter kosten knapp 30 Euro und es gibt auch fertige Sets mit der Kamera für den gleichen Aufpreis. Die Kamera selbst wird per App umgeschaltet von "iOS-Modus" auf "Android-Modus". Es ist also wirklich immer genau die gleiche Hardware, für iOS ohne, für Android mit Adapter. Wer einen Adapter hat, kann die Kamera durchaus in beiden Welten einsetzen.
Für den Desktop – Windows oder Mac – gibt es ebenfalls eine Software, die sich Insta360Studio nennt. Wenn du in der Smartphone App einstellst, dass du von den Fotos zusätzlich auch DNG-Dateien speichern möchtest, wirst du dort öfter mal auf die Desktop-Software hingewiesen, denn DNGs werden ausgegraut dargestellt (eigentlich unnötig, sie dann überhaupt anzuzeigen) und wenn du draufklickst, kommt der Hinweis, dass das Foto nur mit der Desktop-Software geöffnet werden kann. Insta360Studio ist im Grunde gar nicht schlecht und macht einen recht ausgereiften Eindruck (im Gegensatz zu manch anderer herstellereigener Desktop-Software mit der ich mich bei Panorama-Kameras schon herumplagen musste). Du kannst wesentlich mehr Einstellungen vornehmen als in der Smartphone-App und sogar beispielsweise ein (vorgegebenes oder eigenes) Logo ins Video oder Foto einblenden, dort wo vielleicht sonst ein Stativ störend zu sehen wäre.
Aber die Arbeit damit ist trotzdem etwas umständlich. Das liegt vor allem daran, dass die Kamera auf der Speicherkarte scheinbar gar keine normalen Fotos und Videos ablegt, sondern Dateien mit den Endungen INSP (offenbar für INSta360 Picture) und INSV (offenbar für INSta360 Video). Das ist wirklich sehr lästig, denn das führt dazu, dass du mit einem normalen Windows Explorer erstmal überhaupt nicht siehst, was das jeweils ist (daneben liegen dann ggf. noch die DNG-Dateien mit den Rohdaten-Fotos, aber die kannst du ja auch nicht einfach anzeigen). Nun würde man ja meinen, wenn man die Insta360Studio-Software installiert, wird alles gut; die Software schlägt auch beim Installieren vor, die Dateiendungen INSP und INSV mit dem Programm zu verknüpfen. Das bringt nur leider auch nichts, weil die Software keinerlei Browser hat! Du siehst also niemals eine Vorschau oder eine Miniatur, weder in der Windows-Umgebung noch in der Insta360Studio und musst also nach dem Trial-and-Error-Prinzip mal diese, mal jene Datei ins Programmfenster ziehen, auf dass vielleicht mal die dabei ist, die du suchst. Konsequenter ist es da einfach einen Batch-Konvertier-Prozess mit allen Dateien anzustoßen, aber solche Vorgänge dauern dann bei Videos sehr, sehr lange.